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Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)

Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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hatte noch immer etwas gegen jede Bewegung einzuwenden. »Mir sind letzte Nacht noch ein paar Fragen eingefallen.«
    Melaine rollte amüsiert mit den Augen. »Seit Ihr verwundet wurdet, stellt Ihr fünf Fragen für jede einzelne, die Ihr vorher gestellt habt.«
    Weil sie versuchte, auf eigene Faust Dinge herauszufinden. Das konnte sie ihnen natürlich nicht sagen, also kramte sie lediglich einen frischen Unterrock aus einer kleinen Truhe, die an der Zeltwand aufgestellt war, und zog ihn anstelle des verschwitzten Nachthemds über.
    »Fragen sind gut«, sagte Bair. »Fragt.«
    Egwene wählte ihre Worte sorgfältig. Und nebenbei zog sie sich ganz ohne Aufhebens an, und zwar die gleiche weiße Bluse aus Algode und den bauschigen Wollrock, wie sie auch die Weisen Frauen trugen. »Ist es möglich, gegen den eigenen Willen in den Traum eines anderen Menschen gezogen zu werden?«
    »Selbstverständlich nicht«, sagte Amys, »wenn man sich nicht äußerst ungeschickt anstellt.«
    Doch fast im gleichen Moment stellte Bair fest: »Höchstens, wenn sehr starke Gefühle dabei eine Rolle spielen. Wenn Ihr versucht, in den Traum einer Person hineinzublicken, die Euch hasst oder liebt, könntet Ihr hineingezogen werden. Oder wenn Ihr diese Person hasst oder liebt. Deshalb wagen wir auch nicht, in Sevannas Träume einzudringen oder auch nur in ihren Träumen mit den Weisen Frauen der Shaido zu sprechen.« Es überraschte Egwene noch immer, dass diese und die anderen Weisen Frauen die Weisen Frauen der Shaido besuchten und mit ihnen verhandelten. Der Sitte nach standen Weise Frauen über den Streitigkeiten und Kämpfen, aber sie hätte gedacht, der Widerstand der Shaido gegen den Car’a’carn und ihr Schwur, ihn zu töten, wäre denn doch ein zu großes Hindernis. »Wenn Ihr den Traum eines Menschen verlassen möchtet, der Euch hasst oder liebt«, beendete Bair ihren Vortrag, »ist das, als wolle man aus einer tiefen Grube mit senkrechten Wänden klettern.«
    »Das stimmt allerdings.« Amys schien mit einem Schlag ihren Humor wiedergewonnen zu haben, und sie warf Melaine von der Seite her einen sarkastischen Blick zu. »Deshalb begeht keine Traumgängerin den Fehler, zu versuchen, in den Traum ihres Ehemannes einzudringen.« Melaine blickte stur geradeaus, doch ihr Gesicht lief dunkel an. »Jedenfalls begeht sie ihn kein zweites Mal«, fügte Amys hinzu.
    Bair grinste, wodurch sich die Furchen in ihrem Gesicht noch vertieften, und blickte beharrlich an Melaine vorbei. »Das kann ein beachtlicher Schock sein, vor allem, wenn er auf Euch wütend ist. Falls er, um ein frei erfundenes Beispiel zu nennen, durch Ji’e’toh gezwungen ist, für eine Weile fortzugehen, und Ihr werft ihm wie ein törichtes Kind vor, wenn er Euch liebte, würde er nicht weggehen.«
    »Das weicht nun doch zu weit von Ihrer Frage ab«, sagte Melaine mit hochrot angelaufenem Gesicht gezwungen. Bair lachte laut los.
    Egwene unterdrückte ihre Neugier und Erheiterung. Sie bemühte sich, ihre Worte nebensächlich klingen zu lassen: »Und wie verhält es sich, wenn Ihr gar nicht versucht, in den Traum dieser Person hineinzuschauen?« Melaine warf ihr einen dankbaren Blick zu, und sie bekam prompt einen Anfall von schlechtem Gewissen. Nicht genug aber, um sie davon abzuhalten, später nach der gesamten Geschichte zu fragen. Etwas, das sogar Melaine zum Erröten brachte, musste wirklich lächerlich sein.
    »Ich habe von so etwas gehört«, sagte Bair, »als ich jung war und gerade zu lernen begann. Mora, die Weise Frau der Colradafeste, hat mich ausgebildet, und sie meinte, wenn die Gefühle wirklich extrem stark seien, Liebe oder Hass in einem Maße, dass sie keinen Raum für andere Gefühle mehr ließen, könne man bereits dadurch hineingezogen werden, dass man sich des Traums dieser anderen Person bewusst wird, ihn also bewusst bemerkt.«
    »So etwas habe ich noch nie gehört«, sagte Melaine. Amys blickte zweifelnd drein.
    »Ich auch nicht, außer von Mora«, sagte Bair, »aber sie war auch eine bemerkenswerte Frau. Man erzählte sich, dass sie sich ihrem dreihundertsten Lebensjahr näherte, als sie vom Biss einer Blutschlange starb, doch sie sah genauso jung aus wie ihr beiden. Ich war damals noch ein Mädchen, doch ich erinnere mich noch gut an sie. Sie wusste so vieles und konnte die Macht in so hohem Maße lenken! Aus jedem anderen Clan kamen die Weisen Frauen, um von ihr zu lernen. Ich glaube, dass so starke Liebe oder so starker Hass sehr selten sind, aber

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