Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
Caemlyn eine Botschaft senden, damit sie vorliegt, wenn Merana Sedai und die Gesandtschaft dort ankommt.«
»Warum, beim Licht, sollten wir das tun?«, polterte Morvrin.
»Ich dachte, Nynaeve habe Euch das erklärt Aes Sedai. Ich bin nicht ganz sicher, aber ich glaube, wenn man die Schale aktiviert, wird es notwendig sein, dass auch ein Mann mitwirkt.«
Das löste natürlich einen kleineren Aufruhr aus. Carlinya schnappte nach Luft, Morvrin knurrte in sich hinein und Sheriam stand der Mund offen vor Verblüffung. Auch Nynaeve riss den Mund auf, doch nur einen Augenblick lang. Elayne war sicher, dass die anderen es nicht bemerkt hatten. Die waren aber zu erschlagen, um viel zu bemerken. Dabei war das Ganze einfach eine Lüge gewesen. ›Einfach‹ war das Schlüsselwort in diesem Fall. Angeblich waren die größten Leistungen im Zeitalter der Legenden von Männern und Frauen gemeinsam vollbracht worden, vermutlich miteinander verknüpft. Höchstwahrscheinlich gab es Ter’angreale , die nur von einem Mann benützt werden konnten. Auf jeden Fall war es so: wenn sie nicht allein die Schale benützen konnte, dann konnte es auch niemand anders in Salidar. Außer vielleicht Nynaeve. Falls aber Rand dazu notwendig war, konnten sie trotzdem die Chance nicht vertun, etwas in Bezug auf das Wetter zu unternehmen; und wenn es so weit war und sie ›entdeckte‹, dass auch ein Zirkel von Frauen mit der Schüssel arbeiten konnte, hatten sich die Aes Sedai in Salidar bereits eng an Rand gebunden, wie sie hoffte, und kämen ohnehin nicht mehr von ihm los.
»Das ist alles schön und gut«, sagte Sheriam schließlich, »aber es ändert nichts an der Tatsache, dass Ihr Aufgenommene seid. Wir werden Merilille einen Brief senden. Es hat über Euch beide bereits Gerede gegeben …«
»Gerede«, fauchte Nynaeve. »Das ist alles, was Ihr macht, Ihr und der Saal! Reden! Elayne und ich können dieses Ter’angreal finden, aber Ihr gackert lieber wie die Legehennen!« Sie überschlug sich fast, so brach es aus ihr heraus. Dabei zerrte sie ständig derart an ihrem Zopf, dass Elayne fürchtete, sie werde ihn sich endgültig ausreißen. »Ihr sitzt hier herum und hofft, dass Thom und Juilin und die anderen zurückkehren und Euch berichten, die Weißmäntel hätten nicht vor, über uns hereinzubrechen wie ein Haus im Erdbeben, obwohl es auch sein könnte, dass ihnen die Weißmäntel auf den Fersen folgen. Ihr sitzt herum und brütet über den Problemen mit Elaida, statt das zu tun, was Ihr gesagt hattet, und immer noch kommt Ihr mit Rand nicht klar. Wisst Ihr denn noch nicht, wie Ihr Euch ihm gegenüber verhalten sollt? Keine Ahnung, obwohl Eure Gesandten auf dem Weg nach Caemlyn sind? Ist Euch bewusst, warum Ihr nur herumsitzt und quatscht? Ich weiß es! Ihr habt Angst! Angst, weil die Burg gespalten ist, Angst vor Rand, den Verlorenen, den Schwarzen Ajah. Letzte Nacht ist Anaiya entschlüpft, dass Ihr einen Plan in der Tasche hättet, falls einer der Verlorenen angreift. All diese Zirkel, die sich verknüpften, und das ausgerechnet auf einer Blase des Bösen – glaubt Ihr wenigstens mittlerweile an deren Existenz? –, aber alle falsch zusammengesetzt und die meisten mit mehr Novizinnen als Aes Sedai besetzt. Weil nur ein paar Aes Sedai rechtzeitig davon erfahren hatten. Ihr glaubt, die Schwarzen Ajah sitzen bereits hier in Salidar. Ihr hattet Angst, Euer Plan könne an Sammael oder einen der anderen verraten werden. Ihr traut Euch gegenseitig nicht! Wollt Ihr uns deshalb nicht nach Ebou Dar schicken? Glaubt Ihr etwa, wir gehörten zu den Schwarzen Ajah, oder wir rennen fort zu Rand, oder … oder …!« Sie endete schwer atmend und zornrot. Während der ganzen Tirade hatte sie kaum einmal Luft geholt.
Elaynes erster verlegener Impuls war, die Wogen irgendwie zu glätten, obwohl sie nicht die geringste Ahnung hatte, wie sie das anstellen sollte. Genauso leicht hätte sie eine Bergkette glätten können. Doch es waren die Aes Sedai, die sie ihre Sorge vergessen ließen, dass Nynaeve alles verdorben hätte. Diese ausdruckslosen Mienen, diese Blicke, die noch in der Lage schienen, durch Stein hindurchzublicken, hätten eigentlich gar nichts aussagen dürfen. Aber nun drückten sie doch etwas aus, oder jedenfalls glaubte sie das. Da war nichts von jener kalten Wut zu sehen, die jeden treffen würde, der dumm genug war, die Aes Sedai derart herunterzuputzen. Nein, sie bemühten sich lediglich, ihre wahren Gefühle zu vertuschen, und das
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