Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
grimmig. Das musste wohl ein Scherz sein.
Sulin hockte entspannt auf dem Boden an einer Seite des Podestes, auf dem der Thron stand, während der rothaarige Urien auf der anderen Seite saß. Heute warteten zwanzig Aethan Dor , Rote Schilde, zusammen mit den Töchtern unter den Säulen des Großen Saals. Einige hatten das rote Stirnband angelegt. Sie standen herum oder kauerten da oder saßen auf dem Boden; ein paar unterhielten sich leise, aber wie gewöhnlich wirkten sie bereit, innerhalb eines Herzschlags zuzuschlagen; sogar die Töchter und die beiden Roten Schilde, die gerade beim Würfelspiel waren. Mindestens ein Augenpaar schien jederzeit Norry zu beobachten, denn nur wenige Aiel trauten einem Feuchtländer, der Rand so nahe kommen durfte.
Mit einem Mal erschien Bashere an der mächtigen Tür des Saals. Als er nickte, richtete sich Rand auf. Endlich, verdammt noch mal. Die grün-weiße Troddel flog, als er eine Geste mit dem drachenbewehrten Seanchanerspeer vollführte. »Ihr habt Eure Sache gut gemacht, Meister Norry. Euer Bericht war lückenlos. Ich werde dafür sorgen, dass das Gold zur Verfügung steht, das Ihr benötigt. Doch nun muss ich mich anderen Dingen widmen, wenn Ihr mir das vergeben wollt.«
Dem Mann sah man weder Neugier an, noch war er beleidigt, weil er so plötzlich unterbrochen wurde. Er hörte nur mitten im Satz mit seinem Bericht auf und verbeugte sich, wobei er im gleichen trockenen Tonfall sagte: »Wie der Lord Drache befiehlt«, und trat drei Schritte zurück, bevor er sich umdrehte. Er sah Bashere noch nicht einmal im Vorbeigehen an. Nichts existierte für ihn als seine Hauptbücher.
Ungeduldig nickte Rand Bashere zu und setzte sich hoch aufgerichtet und mit steifem Kreuz auf dem Thron zurecht. Die Aiel verstummten. Nun erschienen sie ihm noch einmal so kampfbereit.
Als der Mann aus Saldaea eintrat, kam er nicht allein. Zwei Männer und zwei Frauen folgten dicht hinter ihm, keiner davon jung, alle in teure Seide und Brokat gehüllt. Sie bemühten sich, so zu tun, als existiere Bashere nicht und beinahe wäre es ihnen auch gelungen, aber bei den wachsamen Aiel unter den Säulen war das etwas anderes. Dyelin mit ihren goldenen Haaren kam lediglich leicht ins Stolpern, doch Abelle und Luan, beide bereits ergraut und mit harten Gesichtern, sahen die in den Cadin’sor gekleideten Gestalten finster an und fassten instinktiv nach den Schwertern, die sie heute nicht gegürtet hatten, während Ellorien, eine mollige, dunkelhaarige Frau, die an sich hübsch gewesen wäre, hätte sie nicht andauernd eine so versteinerte Miene zur Schau getragen, stocksteif stehen blieb und die Aiel anfunkelte, bevor sie sich wieder gefangen hatte und mit einem schnellen Schritt neben den anderen war. Ihr erster ungehinderter Blick auf Rand ließ Bestürzung erkennen, und zwar bei allen vier. Sie tauschten kurze, erstaunte Blicke. Vielleicht hatten sie geglaubt, er sei älter.
»Mein Lord Drache«, verkündete Bashere lauthals, als er vor dem Podest stehen blieb, »Herr des Morgens, Prinz des Sonnenaufgangs, Wahrer Verteidiger des Lichts, vor dem die Welt in Ehrfurcht das Knie beugt, ich präsentiere Euch Lady Dyelin aus dem Hause Taravin, Lord Abelle aus dem Hause Pendar, Lady Ellorien aus dem Hause Traemane und Lord Pelivar aus dem Hause Coelan.«
Da sahen die vier Andoraner denn doch Bashere an, aber nur mit zusammengepressten Lippen und scharfen Seitenblicken. Es hatte etwas in seiner Stimme gelegen, das klang, als übergebe er Rand vier Pferde. Zu behaupten, sie stünden mit noch steiferem Kreuz da, wäre dasselbe, als behaupte man, Wasser sei nasser geworden, und doch schien es so, als sie zu Rand aufblickten. Vor allem zu Rand. Unwillkürlich wanderten ihre Blicke auch hinüber zum Löwenthron, der auf seinem eigenen Podest hinter seinem Kopf schimmerte und glitzerte.
Er hätte ihnen am liebsten in die empörten Gesichter gelacht. Empört waren sie, aber auch vorsichtig und unwillkürlich auch ein wenig beeindruckt. Er und Bashere hatten gemeinsam diese Liste von Titeln ausgearbeitet, aber das über die Welt, die das Knie vor ihm beugte, war neu und Basheres eigene Erfindung. Den Tipp hatte ihm allerdings bereits Moiraine gegeben. Er glaubte fast, ihre silbrige Stimme wieder zu hören. Der erste Eindruck, den Menschen von Euch bekommen, ist derjenige, den sie am längsten in Erinnerung behalten. Das ist die Art der Welt. Ihr könnt von einem Thron zurücktreten, und selbst wenn Ihr Euch dann wie
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