Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
an die Kinder und Enkel weiterzugeben.
Der Wind frischte einen Moment auf und wehte südwärts. Er würde die Geräusche der Feuchtländerpferde und der Wagen übertönen.
Sie richtete erneut ihr Schultertuch und versagte es sich, das Gesicht zu verziehen. Sie durfte um keinen Preis beunruhigt wirken. Ein Blick nach rechts vertrieb die Sorge sofort wieder. Über zweihundert Weise Frauen der Shaido hatten sich dort versammelt, und normalerweise beobachteten zumindest einige sie wie Geier, auch wenn aller Augen auf die Anhöhe gerichtet waren. Nicht nur eine der Frauen richtete unbehaglich ihr Schultertuch oder glättete bauschige Röcke. Sevanna schürzte die Lippen. Schweiß perlte auf einigen jener Gesichter. Schweiß! Wo war ihre Ehre geblieben, dass sie bei jedem Blick nervös wurden?
Alle erstarrten ein wenig, als ein junger Sovin Nai auf der Anhöhe erschien und im Hinabsteigen seinen Schleier senkte. Er kam direkt zu Sevanna, wie es angemessen war, aber zu ihrer Verärgerung sprach er ausreichend laut, dass alle ihn hören konnten. »Einer ihrer dreisten Kundschafter ist entkommen. Er war verletzt, ist aber dennoch zu Pferde geflüchtet.«
Die Anführer der Gemeinschaften stürmten voran, noch bevor er zu Ende gesprochen hatte. Das durfte sie nicht durchgehen lassen. Sie würden im eigentlichen Kampf die Führung übernehmen – Sevanna hatte niemals in ihrem Leben mehr getan, als einen Speer nur in der Hand zu halten –, aber sie würde sie keinen Moment vergessen lassen, wer sie war. »Erhebt jeden einzelnen Speer gegen sie«, befahl sie laut, »bevor sie sich vorbereiten können.« Sofort scharten sie sich wie ein Mann um sie.
»Jeden Speer?«, fragte Bendhuin ungläubig. »Ihr meint, außer den Vorposten …«
Maeric unterbrach ihn mit finsterem Gesicht. »Wenn wir keine Reserve zurückbehalten, können wir …«
Sevanna schnitt ihnen beiden das Wort ab. »Jeden Speer! Wir haben es mit Aes Sedai zu tun. Wir müssen sie augenblicklich überwältigen!« Efalin und die meisten der anderen nahmen einen unbewegten Gesichtsausdruck an, aber Bendhuin und Maeric runzelten nachdenklich die Stirn. Narren. Sie hatten ein Dutzend Aes Sedai vor sich, und doch wollten sie, trotz der mehr als vierzigtausend Algai’d’siswai , auf denen sie bestanden hatten, ihren Kundschafter-Vorposten und ihre Reservespeere bewahren, als müssten sie noch weiteren Aiel oder einem Feuchtländer-Heer gegenübertreten. »Ich spreche als Clanhäuptling der Shaido.« Sie müsste das eigentlich nicht erwähnen, aber andererseits konnte eine Erinnerung daran nicht schaden. »Sie sind nur eine Handvoll.« Sie wählte jetzt jedes Wort mit Verachtung. »Sie können überwältigt werden, wenn die Speere schnell genug sind. Ihr wart bei Sonnenaufgang noch bereit, Desaine zu rächen. Rieche ich jetzt Angst? Angst vor ein paar Feuchtländern? Haben die Shaido ihre Ehre verloren?«
Diese Worte ließen ihre Gesichter, wie beabsichtigt, versteinern. Sogar Efalins Augen wirkten wie polierte graue Edelsteine, als sie sich verschleierte. Sie gab in der Zeichensprache Anweisungen, und als die Anführer der Gemeinschaften die Anhöhe hinaufstürmten, folgten ihnen die Töchter des Speers um Sevanna. Das hatte sie nicht beabsichtigt, aber zumindest bewegten sich die Speerträger. Sie konnte sogar vom tiefsten Punkt der Senke aus erkennen, dass scheinbar kahler Boden Cadin’sor -bekleidete Gestalten ausspie, die mit langen Schritten, die sogar Pferde überrunden konnten, südwärts eilten. Es galt, keine Zeit zu verschwenden. Mit dem Gedanken, später mit Efalin zu sprechen, wandte Sevanna sich den Weisen Frauen zu.
Aus denen erwählt, die die Eine Macht lenken konnten, kamen sechs oder sieben Weise Frauen der Shaido auf jede Aes Sedai um al’Thor, und doch sah Sevanna Zweifel, den sie hinter versteinerten Gesichtern zu verbergen suchten, aber er war dennoch da, an unruhigen Blicken und die Lippen benetzenden Zungen erkennbar. Heutzutage wurden viele Traditionen abgelegt, Traditionen, die so alt und stark waren wie das Gesetz. Weise Frauen nahmen nicht an Schlachten teil. Weise Frauen hielten sich weit von Aes Sedai fern. Sie kannten die uralten Geschichten, dass die Aiel ins Dreifaltige Land geschickt wurden, um die Pläne der Aes Sedai zu durchkreuzen, und dass sie vernichtet würden, wenn sie ihnen jemals wieder einen Plan verdarben. Sie hatten gehört, dass Rand al’Thor vor allen behauptet haben sollte, die Aiel hätten als Teil ihres
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