Das Rad der Zeit 7. Das Original: Die Krone der Schwerter (German Edition)
einer schreienden hellhaarigen Frau, die ihre Röcke bis über die Knie gerafft hatte und schneller lief als der stämmige Wächter, der sich, seinen Knüppel schwingend, schwerfällig hinter ihr herschleppte. Der Kutscher einer rot lackierten Kutsche mit den Goldmünzen und der geöffneten Hand eines Geldverleihers auf der Tür drohte dem Wagenlenker eines Planwagens mit der Peitsche, dessen Pferdegespann dem Gespann der Kutsche ins Gehege geraten war, während beide über die Straße hinweg fluchten. Verdreckte Straßenjungen kauerten hinter einem klapprigen Karren, während sie sich winzige, verschrumpelte Früchte schnappten, die vom Land hierhergebracht worden waren. Eine verschleierte Tarabonerin, das dunkle Haar zu dünnen Zöpfen geflochten, bahnte sich ihren Weg durch die Menge und zog in ihrem staubigen roten Gewand, das sich schamlos an ihren Körper anschmiegte, die Augen aller Männer auf sich.
»Mein Lord, ich brauche Zeit. Ich brauche sie! Ich kann nicht das Unmögliche tun, und gewiss nicht innerhalb weniger Tage.«
Gesindel, sie alle. Goldgräber und Jäger des Horns, Diebe, Flüchtlinge und sogar Kesselflicker. Abschaum. Es wäre leicht, Aufstände zu schüren, eine Säuberung von all diesem Unrat zu bewirken. Fremde waren stets das erste Ziel, ihnen wurde regelmäßig die Schuld an dem zugeschoben, was falsch war, ebenso wie den Nachbarn, die das Pech hatten, auf der falschen Seite der Missgunst zu stehen, den Frauen, die mit Kräutern und Heilmitteln hausieren gingen, und Menschen ohne Freunde, besonders, wenn sie allein lebten. Richtig und so behutsam, wie in solchen Fällen möglich, angeleitet, könnte ein guter Aufstand sehr wohl den Tarasin-Palast rund um dieses nutzlose Weibsbild Tylin und auch um die Hexen herum niederbrennen. Er betrachtete den Menschenschwarm unter dem Fenster. Aufstände hatten die Tendenz, außer Kontrolle zu geraten. Die Bürgerwehr würde sich vielleicht regen, und eine Handvoll wahrer Freunde würden unausweichlich hart herangenommen werden. Er durfte es nicht riskieren, dass einige jener vielleicht den Kreisen entstammten, die er gejagt hatte. Auch nur einige wenige Tage eines Aufstands würden ihre Arbeit unterbrechen. Dafür war Tylin nicht wichtig genug. Sie war tatsächlich überhaupt nicht wichtig. Nein, noch nicht. Er konnte riskieren, Niall zu enttäuschen, aber nicht seinen wahren Herrn.
»Mein Lord Carridin …« In Shiaines Stimme klang jetzt ein wenig Trotz mit. Er hatte sie zu lange schmoren lassen. »Mein Lord Carridin, einige der Mitglieder meines Kreises stellen infrage, warum wir die Suche nach …«
Er wollte sich umwenden und sie barsch zurechtweisen – er brauchte einen Erfolg, keine Ausflüchte, keine Fragen! –, aber ihre Stimme wurde unhörbar, als sein Blick auf einen jungen Mann fiel, der in einem blauen Mantel mit genug rot-goldener Stickerei an Ärmeln und Aufschlägen für zwei Adlige schräg gegenüber auf der Straße stand. Größer als die meisten anderen, fächelte er sich mit einem breitkrempigen schwarzen Hut Luft zu und richtete sein Halstuch, während er mit einem gebeugten weißhaarigen Mann sprach. Carridin erkannte den jungen Mann.
Er fühlte sich plötzlich, als wäre eine Schlinge um seinen Kopf gelegt worden, die immer fester zugezogen wurde. Einen Augenblick sah er ein hinter einer roten Maske verborgenes Gesicht. Nachtdunkle Augen starrten ihn an, und dann waren da unergründliche Flammenhöhlen, die ihn noch immer anstarrten. Die Welt brach in seinem Kopf in Feuer aus, in wasserfallartig herabstürzende Bilder, die ihn so zerschlugen, dass er nicht einmal schreien konnte. Die Gestalten dreier junger Männer schwebten in der Luft, und eine der Gestalten begann zu glühen, die Gestalt des Mannes auf der Straße, heller und immer heller, bis sie alle lebendigen Augen zu Asche versengt haben musste, und noch heller – bis sie brannte. Ein gedrehtes goldenes Horn schoss auf Carridin zu, und sein Schrei zerrte an seiner Seele, brach dann in einen Ring goldenen Lichts auf, verschlang ihn und durchdrang ihn mit Kälte, bis das letzte Bruchstück seiner selbst, das sich noch an seinen Namen erinnerte, sicher war, seine Knochen müssten zersplittern. Ein Dolch mit Rubinspitze wirbelte direkt auf ihn zu, die gebogene Klinge traf ihn zwischen die Augen und versank in ihm, bis das goldumwickelte Heft vollkommen verschwunden war, und er erfuhr Qualen, die alle Gedanken in einer Woge von Schmerz fortspülten. Er hätte zu
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