Das Rad der Zeit 8. Das Original: Der Weg der Klingen (German Edition)
diesen Frauen fürchtete? »Sagt Elayne und Nynaeve, sie sollen vorsichtig sein. Sagt ihnen, Feinde kämen stets dann, wenn man sie am wenigsten erwartet. Ihr müsst ihnen dies wörtlich ausrichten.« Die Windsucherin nickte mit kaum verhaltener Ungeduld, wartete aber überraschenderweise, bis Aviendha sie losließ, bevor sie zögernd durch das Wegetor trat.
Der Gang oben um den Turm war nun verlassen. Aviendha verspürte keine Erleichterung. Er konnte überall sein. Vielleicht auf dem Weg zum Stallhof hinab. Wer auch immer er war, was auch immer er vorhatte – er war gefährlich. Die Gefahr existierte nicht nur in ihrer Einbildung. Die letzten vier Behüter hatten ein Viereck um das Wegetor gebildet, eine Wache, die als Letzte gehen würde, und sosehr sie ihre Schwerter auch verachtete, war sie doch dankbar, dass noch jemand außer ihr mit dem scharfen Metall umgehen konnte. Nicht dass die Behüter gegen einen Gholam – oder, noch schlimmer, gegen eine der Schattenseelen – eine größere Chance als die bei den Pferden wartenden Diener gehabt hätten. Oder eine größere Chance als sie selbst.
Sie zog grimmig die Macht heran, bis die Süße Saidars fast schmerzhaft wurde. Ein Quäntchen mehr, und der Schmerz würde während der zum Sterben oder der dafür nötigen Zeit, die Fähigkeit vollkommen zu verlieren, blendende Marter werden. Wenn diese Frauen sich doch nur beeilen würden! Man musste sich nicht schämen, Angst zu empfinden, aber sie fürchtete doch sehr, dass ihr die Angst ins Gesicht geschrieben stand.
KAPITEL 2
Auflösung
E layne trat zur Seite, sobald sie das Wegetor passiert hatte, aber Nynaeve stapfte über die Lichtung, scheuchte braune Grashüpfer aus dem verdorrten Gras auf und sah sich überall nach den Behütern um. Zumindest nach einem der Behüter. Ein hellroter Vogel schoss über die Lichtung und verschwand dann wieder. Sonst regte sich nichts. Ein Eichhörnchen keckerte irgendwo in den überwiegend unbelaubten Bäumen, und dann herrschte Stille. Es schien Elayne unmöglich, dass die drei Behüter hier entlanggekommen sein konnten, ohne solch breite Spuren zu hinterlassen wie Nynaeve, und doch vermochte sie kein Zeichen dafür zu erkennen, dass sie überhaupt hier gewesen waren.
Sie spürte Birgitte irgendwo weitab zu ihrer Linken, ungefähr südwestlich, wie sie glaubte, und erkannte zufrieden, dass keine unmittelbare Gefahr drohte. Careane, die mit anderen Frauen einen Schutzkreis um Sareitha und die Schale bildete, neigte den Kopf fast so, als lausche sie auf etwas. Ihr Cieryl war offensichtlich nach Südosten gegangen, was bedeutete, dass Lan sich nördlich befand. Seltsamerweise blickte Nynaeve auch gen Norden, während sie unentwegt leise vor sich hin murmelte. Vielleicht hatte ihre Ehe ein Gespür für ihn erweckt. Aber wahrscheinlicher war, dass sie eine Spur entdeckt hatte, die Elayne entgangen war. Nynaeve wusste genauso viel über den Wald wie über Kräuter.
Von Elaynes erstem Standort aus war Aviendha durch das Wegetor deutlich zu sehen, während sie die Dächer des Palasts betrachtete, als erwarte sie einen Hinterhalt. Ihrer Haltung nach hätte sie einen Speer in Händen halten und bereit sein können, in ihrem Reitgewand einen Kampf anzutreten. Es entlockte Elayne ein Lächeln, dass sie so tapfer verbarg, wie enttäuscht sie über ihre Unzulänglichkeit war, wenn es darum ging, ein Wegetor zu eröffnen. Aber Elayne konnte gleichzeitig nicht umhin, sich Sorgen zu machen. Aviendha war tapfer, und niemand, den Elayne kannte, bewahrte einen kühleren Kopf. Aber sie könnte vielleicht beschließen, dass das Ji’e’toh von ihr zu kämpfen verlangte, auch wenn keine andere Möglichkeit bestand als davonzulaufen. Das Licht um sie herum schimmerte so hell, dass sie offensichtlich nicht viel mehr Saidar heranziehen konnte. Wenn einer der Verlorenen erschien …
Ich hätte bei ihr bleiben sollen. Aber Elayne verwarf den Gedanken sofort wieder. Welche Entschuldigung sie auch ersann – Aviendha würde die Wahrheit kennen, und sie war manchmal reizbar wie ein Mann. Meistens. Besonders wenn es um ihre Ehre ging. Elayne ließ sich seufzend von den aus dem Wegetor strömenden Atha’an Miere fortdrängen. Sie blieb jedoch ausreichend nahe, um jeglichen Schrei auf der anderen Seite hören zu können. Ausreichend nahe, um Aviendha im Handumdrehen zu Hilfe zu eilen. Und noch aus einem anderen Grund.
Die Windsucherinnen kamen in der Reihenfolge ihrer Rangordnung durch das Wegetor und
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