Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
Schwester aufgehört, dennoch würden zehn Meilen in frisch gefallenem Schnee mindestens zwei weitere Stunden Ritt bedeuten. Elayne wollte das schnell erledigt wissen. Schnelligkeit. Jeder musste schnell handeln.
Dem Meervolk blieb die Aufregung, die den Palast erfasste, gewiss nicht verborgen; Gardistinnen, die durch die Gänge liefen und Nachrichten überbrachten oder diese oder jene Person holten, aber Elayne sorgte dafür, dass man ihnen nichts sagte. Angenommen, Zaida wollte mitkommen, so war sie durchaus dazu fähig, eine ihrer Windsucherinnen ein eigenes Wegetor weben zu lassen, falls Elayne sich weigerte, und die Herrin der Wogen war eine Komplikation, die es zu vermeiden galt. Die Frau führte sich schon so auf, als hätte sie genauso viel Recht im Palast zu sein wie Elayne. Eine Zaida, die versuchte, alles an sich zu reißen, konnte ihr Vorhaben genauso sicher ruinieren wie Mellar, der sie lüstern angrinste.
Sich zu beeilen schien außerhalb Essandes Möglichkeiten zu liegen, aber alle anderen arbeiteten mit fliegenden Fingern, und als die Sonne genau im Zenit stand, saß Elayne auf Feuerherz und ritt langsam durch den Schnee im Braemwald, fast fünfzig Meilen nördlich von Caemlyn entfernt, rechnete man so, wie die Wildgans flog, aber nur einen Schritt durch ein Wegetor in den dichten Wald aus hohen Kiefern und Zwerglorbeer und Eichen, dessen grauästige Bäume ihre Blätter verloren hatten. Gelegentlich wich der Wald zurück und enthüllte breite, von einem weißen Schneeteppich bedeckte Wiesen, die bis auf die Abdrücke von Merililles galoppierendem Pferd unberührt waren. Merilille war mit dem Brief vorausgeschickt worden, und Elayne, Aviendha und Birgitte waren ihr nach einer Stunde gefolgt, um ihr die nötige Zeit zu verschaffen, die Grenzländer vor ihnen zu erreichen. Die Straße von Caemlyn nach Neu-Braem lag einige Meilen westlich. Sie hätten genauso gut tausend Meilen von menschlichen Siedlungen entfernt sein können.
Für Elayne war das Ankleiden eine genauso ernste Angelegenheit wie die Zusammenstellung einer Rüstung gewesen. Ihr Umhang war für zusätzliche Wärme mit Marderfell gefüttert, aber das Material war dunkelgrüne Wolle, weich und doch dick, und das Reitgewand bestand aus grüner Seide und war schmucklos. Selbst die eng sitzenden Reithandschuhe waren aus einfachem dunkelgrünen Leder. Solange keine Schwerter gezogen wurden, war das die Rüstung, in der eine Aes Sedai Herrschern gegenübertrat. Ihr einzig sichtbarer Schmuck war eine kleine Brosche aus Bernstein in Form einer Schildkröte, und falls jemand das merkwürdig finden sollte, war das seine Sache. Keiner ihrer Rivalen verfügte über genügend Möglichkeiten, ein Heer aus Grenzländern als Falle aufzubauen, nicht mal Elaida hätte das gekonnt, aber die zehn Schwestern standen möglicherweise auf ihrer Seite. Zehn Schwestern oder mehr. Sie hatte nicht vor, sich in einem Sack zur Weißen Burg schaffen zu lassen.
»Wir können es bleiben lassen, ohne Toh zu verschulden, Elayne«, sagte Aviendha mit finsterer Miene. Sie trug noch immer ihre Aiel-Kleidung mit der Silberkette und dem schweren Elfenbeinarmband. Ihr stämmiger Brauner war eine Handspanne kleiner als Feuerherz oder Birgittes schlanker Grauer Pfeil und auch viel einfacher zu führen, obwohl sie viel entspannter ritt als früher. Der Sattel sorgte dafür, dass ihre schwarz bestrumpften Beine oberhalb der Knie entblößt waren, aber wenn man von dem um ihren Kopf gewundenen Schultertuch absah, erweckte sie den Eindruck, als sei ihr warm. Im Gegensatz zu Birgitte hatte sie nicht mit ihren Bemühungen aufgehört, Elayne von ihrem Vorhaben abzubringen. »Überraschungen sind ja schön und gut, aber sie werden dich mehr respektieren, wenn sie dir auf halbem Wege entgegenkommen müssen.«
»Ich kann Merilille wohl kaum im Stich lassen«, sagte Elayne geduldiger, als ihr zumute war. Sie fühlte sich zwar nicht länger müde, aber sie fühlte sich auch nicht unbedingt frisch und verspürte nicht die geringste Lust auf eine Diskussion. Aber sie wollte Aviendha nicht anfauchen. »Sie könnte sich wie eine Närrin vorkommen, wenn sie da mit einem Brief steht, der meine Ankunft ankündigt, und ich komme dann gar nicht. Und schlimmer, ich würde mir wie eine Närrin vorkommen.«
»Besser sich wie eine Närrin vorzukommen als eine zu sein«, murmelte Birgitte kaum hörbar. Ihr dunkler Umhang breitete sich hinter ihrem Sattel aus und der kompliziert geflochtene Zopf hing aus
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