Das Rad der Zeit 9. Das Original: In den Klauen des Winters (German Edition)
der Kapuzenöffnung bis beinahe zur Taille. Diese Kapuze bis zu den Seiten ihres Gesichts hochzuziehen war ihr Zugeständnis an die Kälte und den böigen Wind gewesen, der manchmal frisch gefallenen Schnee wie Federn hochstieben ließ. Sie wollte vermeiden, dass ihre Sicht behindert wurde. Der Verschluss ihres Bogenköchers, der eigentlich die Sehne trocken halten sollte, hing herab, damit sie schnell an den Bogen herankommen konnte. Den Vorschlag, ein Schwert zu tragen, hatte sie mit der gleichen Empörung zurückgewiesen, wie es der Fall gewesen wäre, hätte Elayne Aviendha gebeten, eines zu tragen. Mit dem Bogen kannte sich Birgitte aus, hingegen behauptete sie, nur sich selbst zu verletzen, wenn sie ein Schwert ziehen würde. Zu einer anderen Jahreszeit wäre ihr kurzer grüner Mantel mit dem Wald verschmolzen und ihre locker fallenden Hosen hatten wie durch ein Wunder dieselbe Farbe. Sie war jetzt eine Behüterin, nicht der Generalhauptmann der Königlichen Garde, trotzdem war sie nicht so erfreut über diese Bezeichnung, wie man vielleicht erwartet hätte. Der Bund übermittelte genauso viel Unbehagen wie Aufmerksamkeit.
Elayne seufzte und ihr Atem verwandelte sich in Nebel. »Ihr beiden wisst genau, was ich hier zu erreichen hoffe. Ihr wisst es, seit ich die Entscheidung getroffen habe. Warum behandelt ihr mich plötzlich, als wäre ich aus Glas?«
Die beiden Frauen tauschten an ihr vorbei einen Blick aus, jede wartete darauf, dass die andere den Anfang machte, dann wandten sie die Köpfe und schauten starr geradeaus. Plötzlich wusste Elayne Bescheid.
»Wenn mein Kind geboren ist«, sagte sie trocken, »könnt ihr euch beide als ihre Amme bewerben.« Falls das Kind eine »Sie« werden würde. Falls Min das gesagt hatte, war es Aviendhas und Birgittes weingeschwängerten Erinnerungen an diese Nacht entfallen. Möglicherweise würde es besser sein, zuerst einen Sohn zu bekommen, damit sie mit seiner Erziehung beginnen konnte, bevor seine Schwester kam. Doch eine Tochter sicherte die Thronfolge, während ein einzelner Sohn zur Seite geschoben werden würde, und sosehr sie sich auch mehr als nur ein Kind wünschte, es stand nirgendwo geschrieben, dass das geschehen würde. Mochte das Licht dafür sorgen, dass sie von Rand noch mehr Kinder bekam, aber sie musste praktisch denken. »Ich selbst brauche keine Amme mehr.«
Aviendhas von der Sonne verbrannte Wangen wurden vor Verlegenheit noch dunkler. Birgittes Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, aber durch den Behüterbund kam die gleiche Empfindung.
Sie ritten langsam und folgten Merililles Spuren fast zwei Stunden lang. Elayne kam gerade zu dem Schluss, dass das erste Lager ganz in der Nähe sein musste, als Birgitte plötzlich den Arm hob und sagte: »Shienarer.« Sie lockerte den Bogen in seinem Köcher. Aufmerksamkeit verschluckte die Verärgerung und alle andere Gefühle in dem Bund. Aviendha berührte den Griff ihres Gürtelmessers, als wollte sie sich vergewissern, dass es da war.
Sie warteten im Schutz der Bäume, abseits von Merililles Spuren, und sowohl die Männer wie auch die Pferde verharrten so reglos, dass Elayne sie beinahe für irgendwelche natürlichen Felsformationen gehalten hätte, bis sie die seltsamen Federbüschel auf ihren Helmen sah. Die Pferde waren nicht gepanzert, wie es bei shienarischer Kavallerie oftmals vorkam, aber die Männer trugen Harnische und Kettenhemden; Schwerter mit langen Griffen hingen an ihren Gürteln oder Sätteln. Viele trugen auch Keulen. Ihre dunklen Augen blinzelten nie. Eines der Pferde wedelte mit dem Schweif und die Bewegung erschien überraschend.
Ein scharfgesichtiger Mann mit rauer Stimme ergriff das Wort, als Elayne und die anderen beiden Frauen vor ihm die Pferde zügelten. Der Federbusch auf seinem Helm sah aus wie schmale Schwingen. »König Easar übersendet Euch die Garantie Eurer Sicherheit, Elayne Sedai, und ich füge die meine noch hinzu. Ich bin Kayen Yokata, Lord von Fal Eisen, und möge der Frieden mich verlassen und die Fäule meine Seele fressen, sollte Euch oder sonst jemandem in Eurer Begleitung in unserem Lager ein Leid geschehen.«
Das war nicht so tröstlich, wie Elayne es sich gewünscht hätte. Diese ganzen Sicherheitsgarantien machten nur deutlich, dass sie zur Debatte gestanden hatten und es vielleicht noch taten. »Braucht eine Aes Sedai Versicherungen von Shienarern?«, fragte sie. Sie begann mit einer Novizinnenübung für Ruhe und wurde sich bewusst, dass sie sie
Weitere Kostenlose Bücher