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Das Rätsel der dritten Meile

Das Rätsel der dritten Meile

Titel: Das Rätsel der dritten Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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gepflegten Wohngegend unweit des Russell Square vor einem großzügig geschnittenen vierstöckigen Haus mit der Nummer 29 anhielt. Obwohl das Mauerwerk von Rauch und Abgasen leicht geschwärzt war, machte die Fassade insgesamt keinen vernachlässigten, sondern im Gegenteil einen eher eleganten Eindruck. Die lackschwarze Tür mit dem polierten Messingknauf und -briefkasten wurde eingerahmt von zwei weißen Säulen; die Fenster waren ebenfalls weiß gestrichen, und die Blumenkästen quollen über von üppig blühenden Geranien. Ein schmiedeeisernes Geländer grenzte den schmalen Vorgarten gegen die Straße hin ab. Ein Schild, das daran angebracht war, trug die Aufschrift:

    Luxusapartments zu verkaufen oder zu vermieten.
    Auskunft exklusiv durch: Brooks & Gilbert.
    Telefon 01-4832307.
    Besichtigung nur nach Vereinbarung.

    Browne-Smith schritt drei flache Stufen zur Eingangstür hinauf und drückte dann auf den einzigen Klingelknopf. Nervös griff er mit der Linken in die Innentasche seines Jacketts, um sich zu vergewissern, daß die blaue Karte noch da sei. Er hatte es drinnen nicht klingeln hören, und im Haus rührte sich nichts. Zum erstenmal kam ihm die Idee, daß das Ganze ein Versuch sein könnte, ihn hereinzulegen und bloßzustellen als den alten, dummen Trottel, der er ja auch tatsächlich war, sonst wäre er auf diesen anrüchigen und nicht sehr ehrenhaften Handel doch gar nicht eingegangen. Er wandte sich um und sah, wie ein paar Häuser weiter eine überaus aristokratisch aussehende Dame einem Taxi entstieg. Noch war es nicht zu spät. Er brauchte sich bloß umzudrehen und wegzugehen, das Taxi herbeizuwinken und konnte die ganze Angelegenheit vergessen...
    Doch da hatte die Tür sich schon hinter ihm geöffnet.
    «Ja, bitte, Sie wünschen?»
    «Ich bin ein Bekannter von Mr. Sullivan.» War das wirklich seine Stimme, dieses zögernde, heisere Krächzen? Aus unzähligen Vorlesungen, Tutorien, Prüfungen und Konferenzen hatte er sie jedenfalls anders in Erinnerung.
    «Werden Sie erwartet?»
    Er entnahm seiner Jackettasche die schmale blaue Karte und reichte sie ihr. Der maschinengeschriebene Text lautete lapidar: Dem Inhaber dieser Karte ist Zutritt zu gewähren. Ansonsten war sie bis auf einige Sternchen in der rechten oberen Ecke leer.
    Allem Anschein nach tat die Karte jedoch ihre Wirkung, denn die Frau trat, kaum, daß sie einen Blick darauf geworfen hatte, beiseite, bedeutete ihm hereinzukommen und schloß geräuschlos hinter ihm die Tür. «Wie ich sehe, sind Sie ein Gast, den man uns besonders anempfohlen hat. Herzlich willkommen!» Sie lächelte, um ihre Worte zu unterstreichen, und schritt ihm voran durch die geräumige, mit olivgrünem Teppich ausgelegte Eingangshalle auf eine weit geschwungene Treppe zu. Während sie hinaufstiegen, blickte sie sich zu ihm um und sagte: «Die blauen Karten sind für den ersten Stock. Um diese Tageszeit sind leider noch nicht alle Mädchen da — es geht bei uns erst abends richtig los, aber ich glaube, wir werden Sie trotzdem nicht enttäuschen. Wir haben hier noch nie einen Gast enttäuscht.» Sie lächelte wieder, und Browne-Smith bemerkte, daß sie schlechte Zähne hatte, die in häßlichem Kontrast zu ihrem gekonnt aufgemachten Gesicht standen.
    Oben angekommen, wandte sie sich erneut zu ihm um und musterte ihn mit einem raschen, erfahrenen Blick, nicht unähnlich einem Schneider, der, wenn er einen potentiellen Kunden vor sich zu haben glaubt, im Geiste schon einmal Maß nimmt. Anscheinend hatte ihr der kurze Augenblick gereicht, um sich ein Urteil zu bilden, denn sie steuerte, nachdem sie wie aus Gewohnheit einen knappen Blick nach rechts und links geworfen hatte, zielsicher auf die zunächst liegende Tür zu, zog einen Schlüssel aus der Tasche und schloß auf. Sie durchquerten eine kleine Diele und standen gleich darauf in einem nur spärlich möblierten Zimmer.
    An einem Tisch gleich hinter der Tür saß eine vollbusige blonde Frau um die Vierzig. Sie trug ein langes, tiefausgeschnittenes dunkelrotes Kleid. Beim Eintritt ihrer Besucher stand sie auf, und ein zögerndes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
    «Du bist, wenn ich mich nicht irre, heute nachmittag noch frei, Yvonne?»
    «‘eute nachmittag und auch ‘eute abend, Madame, falls Sie es wünschen», sagte sie lächelnd und zeigte dabei eine Reihe hübscher perlweißer Zähne. Sie war außerordentlich sorgfältig zurechtgemacht; das feuchte Rot ihres Lippenstiftes betonte die Konturen ihres vollen

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