Das Rätsel der dritten Meile
fragte:
«Soll isch ihn noch mal durchlaufen lassen, oder...?» Sie kam um ihn herum, setzte sich auf seine Knie und sah ihn an: «Oder wollen Sie jetzt lieber misch ‘aben?»
Das erste Dich war nicht mehr als ein Krächzen, doch beim zweitenmal klappte es dann: «Dich!»
«Mein Kleid ‘at ‘inten einen Reißverschluß... Ja, da. Sie müssen zie’en... Kräftiger. Ja, so!»
Browne-Smith spürte, wie eine wellenförmige Bewegung durch ihren Körper lief, als er mit seinen Händen zaghaft über ihren Rücken fuhr, dann stand sie abrupt auf und ging hinüber zum Bett.
«Kommen Sie, isch zie’e Sie aus.»
Sie drehte ihm den Rücken zu, streifte erst ihre Schuhe ab, ließ dann ihr Kleid von den Schultern gleiten, stieg vorsichtig darüber hinweg, hob es dann auf und legte es sorgsam gefaltet auf einen Stuhl am Fußende des Bettes. Dann wandte sie sich zu ihm um. Er blickte auf ihre Brüste und hätte sie am liebsten sofort genommen, doch sie entzog sich, war noch mit dem Zurechtziehen des Bettlakens beschäftigt, und er fühlte sich wie Tantalus, der die Zweige mit den Früchten ganz nah vor sich sieht und doch jedesmal ins Leere greift, weil immer wieder aufs neue ein Windstoß sie aus seiner Reichweite trägt.
«Möchten Sie noch einen Drink?»
Browne-Smith, dem vor Erwartung schon fast schwindelig war, nickte und blickte ihr voller Verlangen nach, als sie zum Barschrank ging, zwei Drinks eingoß und dann mit wippenden Brüsten wieder auf ihn zukam.
«Legen Sie sisch doch schon hin. Isch bin gleisch bei Ihnen.»
Sie verschwand durch eine zweite Tür, die Browne-Smith vorher gar nicht bemerkt hatte. Er hörte das Geräusch fließenden Wassers; offenbar war nebenan ein Badezimmer. Vollständig angezogen, so wie er war, legte er sich auf das Bett. Vage und seltsam unpersönlich, ganz als beträfe es ihn nicht selbst, kam ihm die Frage, ob hier jemand sein Spielchen mit ihm trieb. Sein Mund fühlte sich völlig ausgetrocknet an, doch er setzte sein Whisky glas neben sich auf den Nachttisch, ohne davon zu trinken. Überraschend kehrte für einen Augenblick sein klares Denkvermögen zurück, und er überlegte, warum sie vorhin eine neue Flasche angebrochen hatte, obwohl die alte doch noch gar nicht leer war. War der Grund, daß sie den Whisky in der anderen Flasche, um ihn zu strecken, mit Wasser versetzt hatten? Vielleicht huldigten sie hier ja demselben Prinzip wie der Quästor, der beim großen Festbankett des Colleges alljährlich die Parole ausgab: Den guten Wein zuerst!
Nach ein paar Minuten, die ihm wie eine Ewigkeit erschienen, kam sie zurück ins Zimmer. Browne-Smith richtete sich halb auf und blickte ihr entgegen.
«Haben Sie vielleicht etwas Creme für mich? Meine Lippen sind so trocken.»
Sie zeigte kein Erstaunen, obwohl die Bitte schon merkwürdig war, sondern ging zum Sofa, um ihre Tasche zu holen. Nach einigem Suchen forderte sie eine kleine Dose zutage. Sie beugte sich über ihn, so daß ihre Brüste fast sein Gesicht streiften, und strich ihm mit sanften, fürsorglichen Bewegungen etwas Creme auf die aufgesprungenen Lippen.
«Ist es jetzt besser?» Sie sah, daß sein Whisky noch unberührt war, und versuchte, ihn zum Trinken zu bewegen: «Ihr Glas ist ja noch ganz voll. Nun trinken Sie doch einen Schluck! Isch denke, Glenfiddisch ist Ihre Lieblingsmarke.»
Sie band ihm die Krawatte ab und öffnete ihm langsam das Hemd, nach jedem Knopf innehaltend, um ihm leicht über die Brust zu streicheln.
Browne-Smiths Erwartung steigerte sich bis zu einem Grad, daß er kaum wußte, wie er es noch länger aushalten sollte. Doch plötzlich schien es ihn nach Helligkeit zu verlangen, denn er sagte: «Könnten Sie wohl die Vorhänge ein bißchen zur Seite ziehen?»
Als sie vom Fenster zurückkam, lag er bewegungslos, neben sich das Jackett, das sich gerade noch am Fußende des Bettes befunden hatte. Vorn auf seiner Hose zeichnete sich ein dunkler Fleck ab und entlockte ihr ein nachsichtiges Lächeln. Er hatte die Augen geschlossen und atmete gleichmäßig, sein rechter Arm hing über die Bettkante. Das Glas auf dem Nachttisch war leer. Sie hob den Arm vorsichtig an und bettete ihn neben seinen Körper. Einen Moment lang empfand sie fast so etwas wie Zärtlichkeit für ihn. Dann zuckte sie die Achseln, wandte sich ab und begann schnell, sich anzuziehen. Sie schloß die Tür auf und trat hinaus. Draußen im Flur lehnte ein Mann an der Wand und las in einem Buch. Es trug den Titel Führer durch das
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