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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Hügels vor ein paar herumliegenden Felsbrocken stehen geblieben war.
    »Hier ist es«, sagte er und strahlte über das ganze Gesicht, als hätte er das Ende des Regenbogens erreicht und dort den sprichwörtlichen Topf voller Gold gefunden.
    »Hier?« Beatrice war fassungslos.
    Das sollte das Grab des Dschingis Khans sein? Keine prächtige Grabkammer, keine kostbaren Schwerter, keine Schätze, kein Sarkophag, nichts als ein paar Steine? Die Grabstätte des großen, berühmten Herrschers hatte sie sich ganz anders vorgestellt. Es fiel ihr schwer, ihre maßlose Enttäuschung vor Tolui zu verbergen. Für ihn war dieses Grab gleichbedeutend mit einem Heiligtum, auch wenn es nicht viel mehr als ein Steinhaufen war.
    »Es ist schön«, sagte Beatrice und hoffte, dass er die Lüge nicht bemerkte. »Wo wollen wir heute unser Zelt aufschlagen?«
    »Wir brauchen unser Zelt nicht. Heute werden wir im Schutze des Grabes übernachten.«
    Beatrice schluckte und fragte sich, ob es sich dabei um ein mongolisches Ritual zu Ehren des toten Herrschers handelte. Wenn ja, so durfte sie nichts dagegen sagen. Aber die Vorstellung, bei einsetzendem Schneefall mitten im Freien zu schlafen, verursachte ihr Magendrücken. Wieder fiel ihr die alte Chinesin auf dem Markt ein. Sie hatte ihr einen gewaltsamen Tod prophezeit – war damit etwa das Erfrieren gemeint?
    »Glaubst du wirklich, dass es ratsam ist, wenn wir ohne Zelt zwischen den Steinen nächtigen?«, fragte Beatrice und hoffte inständig, dass Tolui sich überzeugen ließ, doch noch das Zelt aufzustellen – wenigstens für sie. »Es ist kalt. Und wer weiß, wie viel Schnee heute Nacht noch fallen wird.«
    Tolui runzelte die Stirn und sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren oder würde plötzlich Altägyptisch sprechen.
    »Ich weiß nicht, was du…«, begann er und brach ab. Plötzlich glättete sich seine Stirn, in seinen Augen leuchtete es auf, und dann fing er an zu lachen. Er lachte so sehr, dass er sich krümmte und ihm schließlich die Tränen über die Wangen liefen. »Verzeih mir, Beatrice«, sagte Tolui, als er sich wieder einigermaßen gefangen hatte, und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. »Du kannst das natürlich nicht wissen. Diese Steine, die du hier siehst, sind nicht das Grab meines Urgroßvaters, wie du vielleicht glaubst. Sie verbergen nur den Eingang.« Er lachte wieder. »Bitte sei mir nicht böse. Ich hätte es dir wahrscheinlich schon vorher erzählen sollen, aber ich wollte dich überraschen.« Dann reichte er ihr die Hand. »Nimm dein Pferd beim Zügel und lass uns hineingehen.«
    Beatrice fühlte sich wie der allerletzte Idiot. Tolui betätigte einen versteckten Hebel, und ein paar der großen Felsbrocken glitten zur Seite. Sie gaben den Blick auf eine Rampe frei, die sanft in die Tiefe abfiel und so breit war, dass sie sogar die Pferde mit hinunterführen konnten. An den gemauerten Seitenwänden steckten Fackeln in schlichten eisernen Halteringen. Tolui nahm eine davon, entzündete sie und ging voran. Immer tiefer drangen sie unter die Erde vor, bis sie schließlich eine hohe, mit mindestens einem Dutzend Säulen abgestützte Halle erreichten. Vor jeder der Säulen stand ein grimmig dreinblickender, aus Stein gehauener Krieger in voller Rüstung und mit Schwert, Bogen und Krummsäbel bewaffnet. Sie erinnerten Beatrice an die Statuen in Khubilais Gemächern.
    »Dies ist die Halle der Wächter«, sagte Tolui und ließ die Zügel seines Pferds los. »Pilger meines Volkes, welche die Grabstätte des großen Dschingis Khans besuchen wollen, können hier übernachten. Es gibt Kohlebecken und Brennmaterial. In den Seitennischen stehen sogar Truhen mit Fellen und Decken. Und eine unterirdische Quelle sorgt für frisches Wasser. Aber Vorsicht, die Alten sagen, dass die Wächter zum Leben erwachen und jeden auf der Stelle töten, der es wagt, etwas Böses in das Grab Dschingis Khans zu tragen.«
    Tolui zündete ein Kohlefeuer an und packte ihre Vorräte aus. Sie aßen immer noch das gleiche zähe Dörrfleisch wie an den Tagen zuvor, aber allein das frische, klare Wasser verwandelte die karge Mahlzeit in ein Festmahl.
    »Und wo ist nun das Grab des großen Dschingis Khans?«, fragte Beatrice ein wenig schüchtern.
    »Siehst du dort die beiden Türen?« Tolui deutete zum anderen Ende der Halle. »Da ist der Eingang. Morgen, wenn wir ausgeschlafen sind, werden wir das Grab betreten und nach dem Stein suchen. Hat Maffeo dir gesagt, wo er ihn versteckt

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