Das Rätsel der Fatima
Dschingis Khans versteckt.« Maffeo lächelte Khubilai an. »Verzeih mir, mein Freund. Es ist wahrlich nicht meine Absicht gewesen, das Grab deines hoch geschätzten Großvaters zu schänden. Glaube mir, wenn du mehr über den Stein wüsstest, wärst auch du davon überzeugt, dass ich keinen Frevel begangen habe. Im Gegenteil, es gibt keine größere Ehre.«
Khubilai neigte seinen Kopf. »Ich will deinen Worten Glauben schenken, auch wenn es mir zurzeit schwer fällt.«
»Wo ist denn das Grab von Dschingis Khan?«, fragte Beatrice.
»Es liegt an einem geheimen Ort, verborgen in der Weite der mongolischen Steppe«, antwortete Tolui, noch bevor Maffeo seinen Mund öffnen konnte. »Allerdings kennen nur wenige die genaue Lage der Grabstätte. Du wirst also in jedem Fall einen Begleiter brauchen, um es zu finden. Und ich kann…«
»Nein!«
»Aber Vater, ich…«
»Nein, Tolui. Du weißt, wie gefährlich das ist. Ich habe schon deine Mutter verloren, ich habe Dschinkim verloren. Ich will nicht auch noch dich verlieren.«
Tolui runzelte zornig die Stirn. »Aber es gibt niemanden, der sie sonst begleiten könnte.«
»Verzeih, dass ich das vor deinem Sohn sage, aber Tolui hat recht, Khubilai«, erklärte Maffeo. »Er kennt die Wahrheit über Dschinkims Tod, und er kennt die Lage des Grabes. Jedem anderen gegenüber, der Beatrice begleiten würde, müssten wir mehr preisgeben, als uns lieb sein kann. Es wäre ein großes Risiko. Wir wissen nicht, wem wir trauen können.«
Khubilai seufzte schwer. »Also gut«, gab er nach. »Aber glaubt nicht, dass ich meine Zustimmung gern gebe. Ihr verlangt viel von mir.«
Tolui hob triumphierend den Kopf, seine Augen funkelten abenteuerlustig.
»Wann sollen wir aufbrechen?«
»So schnell wie möglich«, sagte Maffeo. »Die Zeit drängt. Und das liegt nicht nur daran, dass der Winter bald Einzug hält und für Beatrice die Niederkunft bevorsteht. Die Mörder laufen frei herum. Und wenn ich mich nicht sehr irre, wollen auch sie den Stein in ihren Besitz bringen.«
»Also kommt«, sagte Khubilai und erhob sich. »Wenn wir uns beeilen, könnt ihr noch heute aufbrechen.« Dann wandte er sich noch einmal an Maffeo. »Und du bist wirklich sicher, dass du die Zeit bis zur endgültigen Aufklärung des Verbrechens im Kerker verbringen willst?«
Maffeo seufzte.
Die Vorstellung, wieder Tageslicht zu sehen und frische, unverbrauchte Luft zu atmen, war mehr als verlockend. Aber…
»Ja, ich bin sicher.«
»Gibt es etwas, was ich noch für dich tun kann?«
»Ja. Lasst mir bitte eine Fackel hier.« Ein Schauer lief ihm über den Rücken. »Ich weiß nicht, ob ihr das verstehen könnt, aber die Dunkelheit ist das Schlimmste. Ich fürchte, ich könnte sie nicht einen Augenblick länger ertragen.«
Beatrice und Tolui verabschiedeten sich beinahe ehrfürchtig von ihm.
»Ich danke dir, mein Freund«, sagte Khubilai und drückte ihm eine der Fackeln in die Hand. »Ich werde dem Kerkermeister sagen, dass er dir jeden Tag eine neue bringen soll. Leb wohl, Maffeo.«
Der Khan legte ihm noch einmal seine Hand auf die Schulter, dann schloss sich hinter ihnen die Tür. Maffeo war wieder allein. Aber im Lichtschein der Fackel war die Haft leichter zu ertragen. Außerdem…
»Es muss getan werden«, sagte er leise zu sich selbst. »Beatrice muss den Stein an sich nehmen. Sie ist mein Nachfolger. So wie es mir im Traum gesagt wurde.«
19
Beatrice saß zusammengesunken auf ihrem Pferd. Sie durchquerten eine eintönige Landschaft – Hügel, Gras, nur vereinzelte Bäume oder Büsche, hin und wieder Gruppen von Felsen. Ganz selten sahen sie in der Ferne ein paar dicht zusammenstehende Bäume. Sie sprachen nicht viel miteinander, und der Ritt wäre mit Sicherheit langweilig gewesen, wenn Tolui sie nicht so zur Eile angetrieben hätte. Er hatte immer bestimmte Ziele vor Augen, die sie bis zum Abend erreichen sollten. Mal war es eine ungewöhnliche Felsformation, mal ein schützender Überhang oder eine kleine Schlucht, ein anderes Mal ein Bachlauf. An jedem dieser Orte gab es geheime Verstecke – gut getarnte, in die Erde vergrabene Krüge und Lederbeutel mit Wasser und Vorräten an Dörrobst und Trockenfleisch. Eine überaus geniale Erfindung der Mongolen, die auf diese Weise nur mit leichtem Gepäck und wenig Vorräten reisen mussten. Allerdings waren die Distanzen zwischen den Verstecken für kräftige Reiter geplant, nicht für hochschwangere Frauen. Um die einzelnen Etappen innerhalb
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