Das Rätsel der Hibiskus-Brosche
»Man möchte meinen, daß da eine ganze Bande hier in der
Gegend ihr Unwesen treibt. Das ist der zweite Einbruch innerhalb von drei Tagen!«
»Der zweite? O Gott, daran habe
ich gar nicht gedacht«, sagte Alec. »Sie meinen, daß das etwas zu tun haben
könnte mit — mit dem Mord? Aber wenn das der Fall ist, dann kann ja sonst noch
etwas passieren! Mutter, er hat doch Beth nicht etwa verletzt?«
»Natürlich hat er das nicht, du
dummer Kerl«, ließ sich die Stimme seiner Schwester vernehmen. Beth erschien
mit sorgfältigem Make-up. Sie trug einen Kimono, den sie in Honolulu gekauft
hatte und der den Inspektor leicht in Verlegenheit brachte. »Ich bin ganz
munter und vergnügt, und niemand ist ermordet, aber laß uns ja nicht wieder so
unbeschützt und allein! Das sind keine Zeiten, um hilflose Frauen sich selbst
zu überlassen!«
Alice Sutherland versuchte, sie
zu unterbrechen. Alec mochte Beth’ Neckereien nicht, das wußte sie nur zu gut.
Seit Wochen war er gereizt und ungeduldig mit ihr gewesen. Sie, die früher so
gute Freunde gewesen waren, hatten in der letzten Zeit unaufhörlich miteinander
gestritten. Deshalb sagte sie: »Beth, natürlich hätte Alec uns nicht im Stich
gelassen, wenn er geahnt hätte, daß hier Einbrecher in der Gegend sind!«
Aber zu ihrem größten Erstaunen
lachte Alec nur und sagte: »Hören Sie nicht auf meine törichte Schwester,
Inspektor! Ihr ist ein bißchen zu Kopf gestiegen, daß sie es bis zur Königin
gebracht hat.« Und eine Minute später lachten die beiden miteinander und
neckten sich, wie sie es immer gemacht hatten. Alice konnte es kaum fassen. War
es möglich, daß irgendwelche Sorgen, die Alec verbittert hatten, endlich
verschwunden waren? War es möglich, daß er endlich wieder zu sich selbst
zurückgefunden hatte?
Es war großartig, daß Alec, der
ewig in schrecklichen Geldschwierigkeiten steckte, jetzt so fröhlich erklärt
hatte, er wolle zu dem Verlust des Tanzgeldes etwas beisteuern!
7
Beth hatte sich seit Monaten
auf die Eröffnung der Jagdsaison gefreut, und sie hatte nicht die geringste
Absicht, sich den Tag durch irgend etwas verderben zu
lassen. Es war ein wundervoll klarer und schöner Morgen. Von ihrem Fenster aus
konnte sie Sahib rund um die Pferdekoppel traben sehen, als wäre er bei dem
Gedanken an den heutigen Tag besonders beschwingt.
Die Aufregung verdarb Jerry
durchaus nicht den Appetit. Mit größter Konzentration aß er drei Eier und vier
Scheiben Speck.
»Natürlich ist das nicht zuviel ! Ich muß mich doch richtig stärken! Die Jagd ist ein
anstrengender Sport!«
»Ja, anstrengend für dein
Pferd«, sagte seine Schwester ungehalten. »Ich sehe nicht ein, weshalb
ausgerechnet du dich so stärken mußt. Du sitzt doch bloß drauf!«
Jerry ließ sich davon nicht
anfechten und antwortete im Tone eines Erwachsenen: »Ich hoffe ja bloß, daß
Sahib diesen Hillford nicht im Stich läßt, so daß er
womöglich stürzt. Meinst du, ob er ihn wirklich reiten kann?«
»Ach, Jerry, tu nicht so albern
und versuche nicht, so zu reden wie Bill!« rief Beth. »Hauptmann Hillford ist ein ausgezeichneter Reiter. Du weißt, er kommt
aus Argentinien, und dort werden die Leute sozusagen im Sattel geboren. Was ich
wissen möchte, ist, ob du jetzt den ganzen Tag da sitzen und Toast mit
Marmelade essen willst oder ob du endlich kommst und mir hilfst, die Pferde
fertig zu machen!«
»Ich komme ja schon.« Damit
stopfte sich Jerry das letzte Stück Toast in den Mund und schob seinen Stuhl
zurück.
»Nein, laß das Geschirr
stehen«, rief Mrs. Sutherland. »Ich habe Zeit genug,
mich darum zu kümmern!«
Sahib merkte genau, daß etwas
Besonderes in der Luft lag, und bei Beth’ Anblick wieherte er vor Freude und
galoppierte in die entfernteste Ecke der Koppel. Beth rief und rasselte mit
ihrem Kübel. Fidget trabte herbei, neugierig gefolgt
von dem grauen Pony Maus.
»Wir wollen sie auf den Hof
nehmen, sie bürsten und satteln«, sagte Beth. »Laß Sahib in Ruhe. Er wird schon
von selbst kommen.«
Die Jagd fand nur drei Meilen
entfernt statt, deshalb wollten sie mit den Pferden dorthin reiten, um so die
Gelder für den Transport zu sparen.
»Wenn wir das Geld, das uns
gestohlen worden ist, zurückzahlen wollen, müssen wir sparsam sein.«
»Es war ja nicht unsere Schuld,
daß das Geld gestohlen worden ist!« protestierte Jerry.
»Natürlich nicht, dummer Kerl,
aber Mutter fühlt sich eben verantwortlich dafür.«
Sie versorgten ihre Pferde
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