Das Rätsel der Hibiskus-Brosche
wie kann man mit
einem Mann über das Verschwinden eines Mädchens reden, das der andere so ganz
offenkundig liebt? Und nicht nur über das Verschwinden, vielleicht sogar über
ihren Tod? Doch diesen Gedanken wies er von sich. Er dachte nur daran, wie nett
sie gewesen war und wie voller Lebensfreude.
» Mrs. Sutherland hat mir alles erzählt — was kann ich tun?«
Bill zuckte die Achseln. Es war
eine Geste äußerster Hoffnungslosigkeit. Dann dachte er an Mrs. Sutherland und fügte schnell hinzu: »Ich weiß es nicht. Suchen, denke ich.
Suchen Sie alles zusammen, woran Sie sich erinnern können, alles, was Beth
gesagt hat, alles, was geschehen ist und vielleicht Licht in die Sache bringt.
O Gott, wir kommen nicht weiter!«
Alice unterbrach ihn: »Hier ist
Kaffee! Ich habe gerade welchen gemacht. Er wird euch beiden gut tun! Und dann
sollten Sie Bruce lieber ins Hotel zu Inspektor Wright führen. Kann ja sein,
daß der eine Idee hat, wie Sie beide helfen können!«
Bruce sah sie voller Hochachtung
an. Nur wenige Frauen hätten in dieser Lage so besonnen und vernünftig
gesprochen. Sie war genauso, wie Beth sie beschrieben hatte. Kein Wunder, daß
das Mädchen die Mutter so verehrte!
Nach dem Kaffee meinte Bill:
»Sie können sich an nichts Besonderes in Bezug auf Honolulu erinnern? Auch wenn
es in Ihren Augen nur etwas ganz Nebensächliches wäre! An niemanden, den sie
dort getroffen hat?«
Ein paar Minuten saß Bruce
schweigend da, dann schüttelte er den Kopf. »Tut mir leid! Wir waren ja nicht
in demselben Hotel untergebracht. Wir verbrachten nur den größten Teil der Tage
miteinander. Da können Leute in ihrem Hotel gewesen sein; aber Beth hat mir nie
von ihnen erzählt. Sie war ja sehr aufgeschlossen und interessierte sich für
andere Menschen. Sie sprach eigentlich über jeden, der ihr über den Weg lief.«
Bill nickte. Im Augenblick
konnte er einfach nicht sprechen. Er erinnerte sich so lebhaft an ihr
Geplauder, dachte daran, wie er einmal mißbilligend zu ihr gesagt hatte: »Hörst
du überhaupt nicht wieder auf? Wenn du da bist, braucht man wirklich kein Radio
im Hause!« Wie hatte er nur so zu ihr reden können? Wie oft hatte er wohl ihre
Gefühle verletzt, ohne es zu wissen?
Rasch stand er auf. »Danke für
den Kaffee, Mrs. Sutherland! Den hab’ ich gerade
gebraucht. Wenn Sie bereit sind, Ellis, können wir gehen.«
Bruce wandte sich Alice zu und
faßte ihre Hand mit festem Griff. »Wir werden sie finden, Mrs. Sutherland! Und wenn wir das ganze Land auseinandernehmen müssen, wir werden
sie finden!« Damit eilte er davon; Alice blieb mit tränenüberströmtem Gesicht
zurück.
Glücklicherweise trafen sie den
Inspektor im Hotel. Die Polizei war den ganzen letzten Nachmittag und dann
wieder seit Tagesanbruch draußen gewesen; denn Wright wollte Jim noch einmal
über das Gelände führen, durch das die Jagd gegangen war. Jetzt waren sie
gerade zurückgekehrt, und die nette Clara machte ihnen etwas zu essen.
Bill führte Bruce Ellis sofort
in das Zimmer, das Vida Cox’ Wohnzimmer gewesen war und wo der Inspektor jetzt
sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte.
»Bruce Ellis! Natürlich,
Honolulu! Wie kommen Sie denn hierher?«
»Ich bin auf Geschäftsreise.
Einen Monat lang besuche ich Vertreter.«
»Und woher haben Sie die
Adresse? Hat Miss Sutherland sie Ihnen gegeben?«
In dem Moment trat ein zweiter
Mann ins Zimmer. Der sieht nicht aus wie einer von der Polizei, dachte Bruce.
Er sah wie ein Farmer aus, wie einer, der viel draußen ist. Nicht gerade
besonders beeindruckend, aber doch sehr nett. Er hatte gescheite und
überraschend helle Augen.
»Komm rein, Jim«, begrüßte ihn
Wright. »Das ist Bruce Ellis, der Mann, den Miss Sutherland in Honolulu
kennengelernt hat und der mit ihr die Zeit verbracht hat. Ich habe ihn gerade
gefragt, weshalb er hierhergekommen ist. Ellis, das ist Jim Middleton, mein Freund,
eine Autorität auf dem Gebiet Pferde. Da das Mädchen während einer Jagd
verschwunden ist, dachte ich, er könnte uns vielleicht helfen. Doch, um auf Sie
zurückzukommen: Hat Ihnen Miss Sutherland die Adresse gegeben?«
»Ja. Sie hat sie mir auf
geschrieben, und ich sagte ihr, daß ich sie besuchen würde, sobald ich
herüberkäme. Ich wollte ja eigentlich zum Flughafen kommen, als sie wieder
zurückflog, konnte es aber leider nicht einrichten. Ein wichtiger Kunde kam,
den ich nicht abweisen konnte. Aber ich hatte ja ihre Adresse, und gestern bin
ich angekommen. Ich habe noch keine
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