Das Rätsel der Hibiskus-Brosche
empört, als sie ihr vom Tod
ihres Hundes berichteten.
Kurz und gut, die Autorin
eroberte die Herzen ihrer Gastgeber, und als sie schließlich auf ihre Uhr sah
und fand, daß die Zeit längst verstrichen war, die der Hauptmann ihr für ihren
Besuch zugebilligt hatte, war sie imstande, sehr freundlich zu sagen: »Sie
waren so nett zu mir! Der wundervolle Tee, Ihre reizende Katze! Dieser Einblick
in Ihr gemütliches Leben! Sie haben mich so liebenswürdig empfangen, und ich
bin Ihnen so dankbar dafür! Erlauben Sie mir, mich ein klein wenig dafür
erkenntlich zu zeigen? Es ist wirklich nur eine Kleinigkeit. Wollen Sie nicht
etwas kaufen, vielleicht etwas für Ihre schöne Katze?« Damit beendete sie ihre
Rede etwas unsicher und legte eine Zehn-Shilling-Note auf den Tisch.
Aber sobald das geschehen war,
merkte sie, daß sie einen Fehler gemacht hatte. Ihr psychologisches
Verständnis, auf das sie sich so viel zugute hielt ,
hatte sie im Stich gelassen. Die Nicols mochten arm sein, sie mochten auch auf
Geld versessen sein, aber sie besaßen ihren Stolz. Sie waren sehr entzückt und
geschmeichelt gewesen, sich mit einer wirklichen Dame aus der Stadt unterhalten
zu dürfen, die erste, die sie jemals besucht hatte; aber es wäre ihnen nicht im
Traume eingefallen, sich den Tee bezahlen zu lassen. »Sie waren uns sehr
willkommen«, erklärte Jakob bestimmt. »Wir brauchen kein Geld.«
Das war außerordentlich
peinlich für Augusta, aber sie erkannte, daß sie nicht auf ihrem Wunsch
beharren durfte. Sie wollte die Nicols ja keinesfalls beleidigen, aber sie wäre
zufriedener gewesen, wenn sie dem Hauptmann später hätte erzählen können, daß
sie diesen armen Leuten eine kleine finanzielle Hilfe hatte zukommen lassen.
Sie blickte sich um. Gab es denn nichts in diesem Durcheinander, das sie ihnen
hätte abkaufen können, um ihnen auf diese Weise die Zehn-Shilling-Note dalassen
zu können?
Auf einmal sah sie etwas — eine
große, glitzernde Brosche, die mitten in einem Haufen Papier auf dem Kasten am
Herd lag. Ihrer Meinung nach war es ein scheußliches Ding, ein ganz
gewöhnliches Schmuckstück aus der Bekleidungsindustrie. Modeschmuck, den
niemand wirklich tragen konnte. Aber es würde ihr vielleicht den Vorwand
liefern, und sie jubelte scheinheilig: »Oh, was für eine schöne Brosche!
Wirklich etwas ganz Besonderes! Ob ich die wohl kaufen kann?«
Florrie und Jakob verständigten sich
mit einem Blick: »Laß sie ihr«, sagte der alte Mann. »Gib sie weg! Schenk sie
ihr.«
Aber Florrie zögerte. Bei aller Liederlichkeit, Schläue und Habgier steckte doch noch ein
Rest von angeborener Anständigkeit in ihr. Sie schützte Armut vor, wo gar keine
Armut bestand; sie war darauf aus, von jedermann Hilfe anzunehmen und auch so
zu tun, als ob sie diese Hilfe dringend nötig hätte. Aber es gab zwei Dinge,
die Florrie nicht fertigbrachte — sie konnte ihre
Tiere nicht verkümmern lassen, und sie würde niemals stehlen. Bedächtig
erklärte sie: »Sie gehört uns eigentlich gar nicht richtig — ich habe sie auf
der Straße gefunden.«
»Aber wenn das so ist und
niemand danach gefragt hat, dann gehört sie Ihnen doch wirklich!«
»Ich weiß nicht recht. Die
Person, die sie hatte, konnte nicht bestätigen, daß sie ihr gehörte. Ich wollte
sie ihr zurückgeben. Jakob ging damit los in der letzten Nacht und dachte, sie
würde ihm vielleicht eine kleine Belohnung geben als Finderlohn; aber die
Straße war ganz still und dunkel, und da kam er zurück, und am nächsten Tage
war’s zu spät.«
Augusta verstand überhaupt
nicht, wovon Florrie da erzählte, und dachte, daß die
alte Frau es wohl selbst nicht wußte. Sie sagte rasch, denn der Hauptmann
konnte in jedem Augenblick da sein: »Aber das war nicht Ihr Fehler! Was man
findet, kann man doch behalten, wenn sich niemand meldet! Überlassen Sie die
Brosche mir! Ich gebe Ihnen gern zehn Shilling dafür und betrachte es als eine
ganz reizende Erinnerung an meinen Besuch bei Ihnen!« Im stillen beschloß sie
freilich: Ich werfe das Ding gleich in die Mülltonne beim Hotel, wenn ich
zurückkomme...
Florries Augen befragten Jakob, und er
nickte. Für den Zehn-Shilling-Schein konnten sie ein hübsches Halsband für den
neuen Hund kaufen. Sie nahm das Geld mit der einen schmutzigen Hand entgegen,
mit der anderen schob sie Mrs. Wharton die Brosche
zu.
»Da, nehmen Sie! Stecken Sie
sie an Ihren hübschen Mantel!«
Aber das war nun doch zuviel ! Augusta schrak förmlich vor den
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