Das Raetsel der Liebe
bestimmt wichtiger gewesen, Jane eine ordentliche Ausbildung zu ermöglichen, als irgend so ein Schmuckstück zu behalten.« Mrs Boyd runzelte gereizt die Stirn. »Ich hatte gehofft, du würdest das auch so sehen.«
»Du hättest nicht gerade das Medaillon verpfänden müssen, um Jane auf eine Schule zu schicken«, murrte Lydia.
»Du weißt ganz genau, wie teuer Queens Bridge ist, Lydia. Wir müssen alle verfügbaren Mittel einsetzen, damit Jane dort aufgenommen wird. Und wir brauchen keine alte Halskette.«
Ich schon.
Lydia spreizte die Finger, richtete sich gerade auf und sah ihre Großmutter direkt an. Es war nicht der geeignete Zeitpunkt, um über Janes Ausbildung zu streiten. Lydia hatte andere Dinge im Kopf. »Ich habe herausgefunden, dass Alexander Hall das Medaillon hat. Lord Northwood.«
Mrs Boyd erwiderte den Blick, die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Ihre Augen nahmen einen leicht irritierten Ausdruck an.
»Viscount Northwood? Soll das ein Scherz sein?«
»Nein, ganz und gar nicht. Er hat die Kette von Mr Havers gekauft. Er fand sie interessant.«
»Du hast mit ihm gesprochen?«
»Ich war gestern Abend bei ihm. Ich habe ihn gebeten, das Medaillon zurückzugeben.«
Mrs Boyd war fassungslos. »Du bist zu Lord North –«
Lydia hob eine Hand, um die bevorstehende Tirade im Keim zu ersticken. »Ehe du mir Vorhaltungen machst: Niemand hat mich gesehen, niemand hat uns gehört. Ich war sehr vorsichtig.«
»Also wirklich, Lydia! Was soll denn
vorsichtig
daran sein, einen Mann wie ihn privat zu treffen?Hast du denn in all den Jahren nichts gelernt? Was in aller Welt ist nur mit dir los?«
»Es hätte dir klar sein müssen, dass ich mich von diesem Medaillon niemals freiwillig trennen würde«, sagte Lydia. »Vor allem nicht nach Papas Tod.«
»Du hast es jahrelang keines Blickes gewürdigt!« Vor Ärger erhob sich Mrs Boyd und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen, wobei sie sich schwer auf ihren Stock stützte. »Im Ernst, Lydia, da Lord Northwood jetzt weiß, dass wir in einer Pfandleihe waren und dass wir … oh mein Gott, was, wenn es öffentlich bekannt wird?«
»Er wird es niemandem erzählen.«
»Woher in aller Welt willst du das wissen?«
Sie wusste es nicht. Und irgendwie doch. »Er ist kein Klatschmaul. Er würde niemals einfach so das Ansehen einer anderen Person beschmutzen.«
»Bist du dir da so sicher?«
»Würdest
du
denn so etwas tun?«
»Nun, ich –«
»Natürlich nicht. Weil du die möglichen Konsequenzen kennst. Genau wie Lord Northwood.«
Sie warf ihrer Großmutter einen fragenden Blick zu. Mrs Boyds Lippen bildeten wieder einen schmalen Strich, doch sie schien keinen Streit vom Zaun brechen zu wollen. Vielleicht, weil sie wusste, dass Lydia die Wahrheit sagte.
Lydia fröstelte. Sie rieb sich die Arme und schob die dunkle Bedrohung aus der Vergangenheit beiseite. Obwohl sie in ständiger Angst vor übler Nachrede lebte, konnte sie dem Verlangen nicht widerstehen, mehr über Lord Northwood zu erfahren.
»Ist es wahr?«, fragte sie. »Ist seine Mutter tatsächlich mit einem anderen Mann auf und davon?«
»Ach Gott, diese schlimmen Gerüchte.« Mrs Boyd winkte ab. »Sie sind der Grund, warum die meisten Leute immer noch nichts mit ihnen zu tun haben wollen, obwohl sie ziemlich reich sind. Aber um deine Frage zu beantworten: Ja, es stimmt. Soweit ich weiß, wurde die Gräfin, die weithin als ein Muster an Schicklichkeit galt, bei einer Affäre mit einem jungen russischen Soldaten ertappt. Sie brannte mit ihm durch, und der Earl reichte die Scheidung ein. Sehr zu Recht, wie ich zugeben muss. Northwood kehrte nach London zurück, doch die Sache war noch nicht ausgestanden. Schrecklich, fürwahr, dass er sich mit den Nachwehen eines solchen Skandals herumschlagen muss. Sie haben sich bis heute nicht davon erholt, die ganze Familie nicht.«
»Was geschah mit der Gräfin?«
»Sie wurde von sämtlichen Familiengütern verbannt, obwohl sie, glaube ich, niemals einen Versuch unternommen hat, zurückzukommen. Ich denke, sie lebt immer noch in Sünde, wahrscheinlich in den riesigen Weiten Russlands.« Die Augen ihrer Großmutter verengten sich zu neugierigen, schmalen Schlitzen. »Wie ist er denn so?«
»Lord Northwood?« Lydia suchte nach den richtigen Worten. »Höflich, wie mir scheint. Und unnachgiebig.«
Voller Zorn.
Unwiderstehlich. Gutaussehend. Verführerisch …
Lydia schnitt den Gedanken ab. Auf solche Art und Weise durfte sie an keinen Mann
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