Das Raetsel der Liebe
es.«
»Alexander, Lord Castleford wäre eine große Hilfe bei der Vitrine, die sich mit dem Erziehungswesen in China beschäftigt«, warf Talia ein. »Er hat große Teile des Landes bereist, weißt du? Und er hat ebenfalls zugestimmt, mir bei der Überarbeitung meines Lehrplanentwurfs für die Armenschulen zu helfen.«
Alexander blickte seinen Freund fragend an. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass du dich so für Bildung und Erziehung interessierst. Wenn ich mich recht entsinne, galt deine Vorliebe im Studium eher dem Kricketspiel.«
Castleford grinste. »Wir können doch nicht alle so strebsam sein wie du, North. Du hast vermutlich immer noch die
Lateinische Grammatik
, die wir in Eton benutzten?«
»Allerdings, und ich ziehe sie regelmäßig zurate«, konterte Alexander. »Ich wette, du könntest nicht mal mehr ein einziges Verb deklinieren, selbst, wenn dein Leben davon abhinge.«
»Salva animum tuum.«
»Abi.«
»Jungs«, unterbrach Talia sie. Obgleich ihre Stimme ernst klang, schien sie sich das erste Mal an diesem Abend zu amüsieren. »Hört mal zu. Wir haben doch am nächsten Wochenende unser Kinderfest, Alexander. Die gesamten Einnahmen sollen den Armenschulen zugutekommen. Ich habe Lord Castleford eingeladen. Und ich hatte gehofft, du wärst auch da.«
»Ja, es steht in meinem Kalender.«
Auf Talias Gesicht erschien ein Lächeln, und Alexander hätte sich fast erschreckt. Seine Schwester hatte ihn seit Jahren nicht mehr angelächelt. Es war, als hätte jemand ein Licht in ihr angezündet, und dessen heller Schein fiele auch auf ihn. »Lord Northwood?« Eine junge Frau in einem grünen Seidenkleid blieb am Rande ihrer kleinen Runde stehen und blickte freudestrahlend zu ihm hoch. »Wir hatten gehofft, Sie heute Abend hier zu treffen. Wir haben ja schon so viel von der Ausstellung gehört.«
»Miss Cooper. Darf ich vorstellen –«
»Lord Castleford, ich weiß. Wir kennen uns bereits.« Miss Coopers Blick glitt über Alexanders Studienfreund und blieb an Talia hängen. »Und auch Ihnen einen guten Abend, Lady Talia.«
Talia begrüßte die andere Frau mit einem steifen Nicken. Dann umfasste Castleford elegant ihren Ellenbogen, murmelte eine Entschuldigung und führte sie hinüber zu der Tafel mit Erfrischungen.
Einen genervten Seufzer unterdrückend, wandte sich Alexander Miss Cooper zu, die ihn erwartungsvoll anblickte. »Wie geht es Ihren Eltern, Miss Cooper?«
»Sehr gut, danke. Mutter fährt nächste Woche nach Paris. Sie hat vor, eine berühmte Modeschöpferin aufzusuchen. Lady Dubois hat sie ihr empfohlen, eine gute Freundin. Ich würde sie liebend gerne begleiten, habe aber bereits diverse gesellschaftliche Verpflichtungen hier in London. Werden Sie denn auch zum Ball von Lady Whitmore kommen?«
»Das habe ich noch nicht entschieden. Richten Sie Ihren Eltern bitte meine besten Grüße aus.«
Er trat einen Schritt zurück, um höflich anzudeuten, dass er die kurze Unterhaltung für beendet hielt, doch Miss Cooper machte einen Schritt nach vorn und schloss auf diese Weise den kleinen Abstand wieder, den er geschaffen hatte.
»Es würde mich wirklich überaus freuen, Sie dort zu treffen«, fuhr sie unbeirrt fort. »Und ich glaube, Mutter würde Sie gerne einmal zum Tee einladen, bevor sie abreist.«
Wieder dieser erwartungsfrohe Blick. Alexander deutete eine Verbeugung an.
»Danke vielmals, Miss Cooper. Ich freue mich auf Ihre Einladung. Genießen Sie den Rest des Abends.« Mit diesen Worten wandte er sich ab, noch bevor sie etwas erwidern konnte, und lenkte seine Schritte in den Spielsalon.
Er spürte, wie sich sein Nacken anspannte, während er sich durch die Anwesenden drängte. Eigentlich hätte er Miss Cooper um einen Tanz bitten müssen. Eigentlich hätte er ihr anbieten müssen, ein Glas Champagner zu holen. Eigentlich hätte er ihr sagen müssen, dass sie wunderschön aussah. Er hätte mit ihr flirten müssen, verdammt noch mal.
Und noch vor einer Woche hätte er vermutlich genau das getan.
Vor seiner Bekanntschaft mit Miss Kellaway.
Er blieb mitten im Spielsalon stehen, verschränkte die Arme über der Brust und klopfte mit den Fingern auf die Oberarme. Vor seinem geistigen Auge erschien ein Bild Lydias: gerötete Wangen, zornige Augen und heiße Verzweiflung.
»Sie ist viel hübscher als Fultons Schwester.« Sebastian stellte sich neben ihn.
»Natürlich ist sie hübscher als … oh.« Alexander räusperte sich. »Du meinst Miss Cooper. Nun … ja. Das ist
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