Das Raetsel der Liebe
»Nimm mich ganz.«
In ihren Augen brannten heiße Tränen. Sie packte sein Gesäß und spreizte ihre Beine weiter auseinander, als sie spürte, wie die Woge ihrer Erregung höher und höher schlug und sich dem Punkt näherte, an dem sie brechen und sich ergießen würde. Und unter diesen herrlichen Empfindungen, unter der puren Lust des Fleisches, brach die Blüte freudiger Erwartung endlich auf. Hoffnung, Liebe und Glückseligkeit wirbelten durch ihre Adern und vermischten sich zu reinster Wonne, die ihr ganzes Sein erfüllte.
»Nimm mich«, wiederholte er, seine Stimme klang wie ein dunkles Grollen.
»Ja«, keuchte Lydia, und ihre Hüften tanzten rhythmisch auf und ab, immer schneller, immer heftiger, bis schäumende, glitzernde Kaskaden ihren Körper überfluteten. »Ja, ich werde … ich will …«
»Komm.« Er stieß in sie hinein, so tief er konnte, und dann erbebte sein Körper vor Lust, und sie spürte die einzelnen, erregenden Wellen, in denen er kam.
»Ich kann es fühlen.« Lydias Kehle entrang sich ein Schrei. »Ooohh, jaaa. Ich … fühle es …«
Sie warf sich ihm mit aller Kraft entgegen, hielt sich an ihm fest, presste ihre Wange an seine Schulter. In ihrem Kopf explodierte eine Palette leuchtender Farben. Violett und Rot, Blau und Gelb rasten durch ihre Adern, als ihr Mann seinen Samen in sie spritzte und sie mit Haut und Haaren zu seinem Weib machte.
Später zog er sie an sich, legte einen Arm um sie und streichelte ihr wirres Haar. Lydia schloss die Augen und atmete tief und ruhig. Eine Hand hatte sie auf seine Brust gelegt, dorthin, wo sie den Schlag seines Herzens spüren konnte. Einen Moment lang stellte sie sich vor, ihr eigenes Herz schlüge in perfektem Takt mit seinem. Erstaunen glomm in ihr auf, als sie feststellte, wie viel es noch für sie zu entdecken gab an diesem Mann. Wie viel sie noch miteinander teilen und zusammen planen konnten.
»Du hattest recht«, murmelte sie leise.
»So?« In seiner Stimme lag tiefe Zufriedenheit. »Womit denn?«
»Es gibt eine Geschichte von Mary Shelley.« Lydia wandte sich ihm zu, stützte den Kopf in die Hand und sah ihm in die Augen. »Sie handelt von einem Alchemisten. Er trinkt ein Gift, das ihn unsterblich machen soll. Aber er leert die Flasche nur zur Hälfte und fragt sich dann, was wohl die Hälfte von unendlich sein mag?«
»Eine Frage für Generationen«, meinte Alexander amüsiert.
Lydia tippte ihm leicht mit dem Finger auf die Nase. »Mag sein. Aber an sich ist sie völlig bedeutungslos. Unendlichkeit ist keine Zahl. Sie kann nicht mithilfe einer mathematischen Gleichung gemessen oder multipliziert oder halbiert werden. Unendlichkeit ist ein Konzept, eine Vorstellung von etwas, dass immer fortdauert. Und niemals endet. Und keine Grenzen hat.«
Sie küsste ihn auf die Wange und streichelte seine Brust.
»Das ist es, womit du recht hattest. Ich habe versucht, Anziehung und Verlangen zu quantifizieren, ich habe Differenzialgleichungen aufgestellt, um die Beziehungen zwischen Mann und Frau zu erklären. Aber das ist unmöglich. Das Leben und die
Liebe
sind nicht messbar. Man kann sie weder in Zahlen ausdrücken noch berechnen. Denn das Leben erstreckt sich über den Tod hinaus, und zwar auf eine Weise, die wir niemals verstehen werden. Und die Liebe … die Liebe ist genauso komplex und grenzenlos wie die Unendlichkeit.«
»Mmm. Sie sind in der Tat brillant, Lady Northwood.«
Er fuhr ihr mit der Hand den Rücken hoch. »Brillant und wunderschön. Sie werden in Sankt Petersburg für Aufsehen sorgen. Und ich werde alles dafür tun, dass Sie niemals mehr vergessen, dass ich recht hatte.«
Lydia lächelte. »Etwas Geringeres hatte ich von dir auch nicht erwartet.«
Alexander fuhr mit dem Daumen über ihren Hals, ein Echo jener Berührung bei ihrer ersten Begegnung in seinem Salon.
»Und ich liebe dich unendlich«, sagte er, während er die Hand um ihren Nacken legte und sie an sich zog. »Auf immer und ewig.«
Als sich ihre Lippen wieder trafen, erfüllte pure Liebe Lydias Herz. Und diese Liebe war so mächtig und überwältigend, dass sie alles Bedauern und alle Vorbehalte auslöschte. In diesem Augenblick wurde ihr klar, dass ihre Zukunft bereits mit dieser ersten mitternächtlichen Begegnung begonnen hatte. Damals waren inmitten der Schatten die Knospen von Wärme, Licht und Hoffnung aufgebrochen und hatten ihre Blüten entfaltet bis zu jenem herrlichen Punkt, der das Hier und Jetzt war.
Es war ein Ort, an dem Unendlichkeit
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