Das Raetsel der Liebe
die anderen in verschiedene Bereiche der Ausstellung zerstreut hatten.
Ihr Blick, in dem ein Anflug von Ehrfurcht lag, schweifte über das emsige Treiben. Stolz wallte in Alexander auf. Er wollte mit dieser Ausstellung die Society beeindrucken, die Regierung, ja, die
ganze
Welt
, doch im Augenblick genügte ihm die Bewunderung dieser Frau vollauf.
»Sämtliche Exponate wurden zollfrei eingeführt«, erläuterte er. »Als ich mich um den Posten des Ausstellungsdirektors bewarb, ging ich davon aus, sie würde viel kleiner werden. Ich hielt das Ganze zwar für eine gute Idee, war mir aber nicht sicher, wie die Leute darauf reagieren würden. Schreibhefte und Landkarten sind schließlich etwas anderes als antike Skulpturen.«
»Aber die Leute haben reagiert«, sagte Lydia. »Und sogar überaus positiv. Sie müssen sehr stolz sein, Mylord.«
Das war er. Nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf die Royal Society of Arts, auf diejenigen ihrer Mitglieder, die ihn ungeachtet aller Schwierigkeiten unterstützt hatten, auf alle, die beinahe zwei Jahre lang daran gearbeitet hatten, die Idee Wirklichkeit werden zu lassen.
»Wäre es in Ordnung, wenn ich Jane einmal herbrächte, um sich die Vorbereitungen anzuschauen?«, fragte Lydia. »Sie würde sich bestimmt freuen, besonders über die Schaukästen mit den Insekten.«
»Aber natürlich. Und Ihre Großmutter ist ebenfalls herzlich willkommen.«
»Sie wird entzückt sein. Sie hat schon viel darüber gehört. Ihr Ruf eilt Ihnen voraus, Mylord.« Als ihr bewusst wurde, was sie da soeben gesagt hatte, überzog eine leichte Röte ihre Wangen.
»Nicht immer nur auf positive Art.« Er lehnte sich an eine der Vitrinen und musterte Lydia eindringlich. »Was haben Sie denn so über mich gehört? Mal abgesehen von den üblichen Gerüchten.«
»Dass Sie eine Firma leiten, die mit … warten Sie … Flachs und Baumwolle handelt?«, erwiderte sie und inspizierte gesenkten Blickes den Schaukasten mit den Miniaturglobussen. Ihre dunklen Wimpern zeichneten sich deutlich auf den schön geschwungenen Wangenknochen ab. »Dass Sie mit Lord Chiltons Tochter verlobt waren, der jedoch nach der Sache mit Ihrer Mutter darauf bestand, die Verbindung zu lösen.«
Alexander wartete auf die Fragen, die jetzt unvermeidlich folgen würden. Alte Fäden aus Schmerz und Scham durchzogen seine Seele, doch all das war schon lange her und ihr Gespinst nicht mehr stark genug, um ihn zu fesseln.
»Haben Sie sie geliebt?« fragte Lydia leise, doch mit fester Stimme.
Er verschränkte die Arme über der Brust. Sie sah ihn nicht an, doch ihre Kiefermuskeln schienen sich zu straffen, während Stille die Pause ausfüllte, die sein rigoroses, schnelles Nein hätte enthalten sollen.
Sie legte eine Hand auf die gläserne Abdeckung und hob den Kopf, das Blau ihrer Augen verschleiert von einem Schutzschild aus banger Vorahnung.
»Miss Caroline Turner und ich kannten uns bereits mehrere Jahre, bevor ich ihr einen Antrag machte«, sagte er schließlich. »Sie war genau das, was ich wollte.«
»Und was war das?«
»Sie war elegant und liebreizend, die perfekte Frau für einen Mann meines Standes. Geschliffen wie ein Diamant. Und sie war ein guter Mensch, freundlich, ungekünstelt. Niemand wusste jemals etwas Unerfreuliches über sie zu sagen. Ich war überzeugt, sie würde mir eine ausgezeichnete Gattin sein.« Er schwieg einen Moment. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Dann presste er die Worte förmlich aus sich heraus: »Ja, vor dem Skandal habe ich sie geliebt.«
Das hatte er in dieser Deutlichkeit bisher noch nicht einmal sich selber eingestanden. Und doch war jetzt seine einzige Sorge, wie Lydia darauf reagieren würde.
Sie schwieg. Lange. Eine Ewigkeit. Die Spitzen ihrer Finger ruhten auf der gläsernen Oberfläche, die die kleinen Miniaturwelten vor ihr schützte.
»Das alles muss Sie furchtbar verletzt haben«, sagte sie schließlich. In ihrer Stimme schien ein gewaltiger Strom unterdrückter Gefühle mitzuschwingen.
Er fragte sich, wo dessen Quelle liegen mochte, woher Lydia Kellaway die Fähigkeit hatte, Schmerz über
seinen
Verlust zu empfinden. Es stimmte – die Aufhebung der Verlobung durch Lord Chilton hatte Alexander bis ins Mark getroffen. Doch diese Demütigung hatte nur Wunden vertieft, die bereits bluteten, Wunden, die der Skandal um seine Mutter, die Scham seines Vaters und die Entwürdigung seiner Familie geschlagen hatten.
»Ich kann nicht sagen, dass es mich überraschte«, erwiderte
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