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Das Raetsel von Flatey

Das Raetsel von Flatey

Titel: Das Raetsel von Flatey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingólfsson
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sich wieder auf das Segel
zurückfallen, biss sich trotzig auf die Lippen und
konzentrierte sich. Mit zusammengekniffenen Augen murmelte er
wieder und wieder vor sich hin: »Lieber Gott, lieber Jesus,
mach, dass ich mir heute nicht die Hose voll
mache.«
    Wieder schaute er nach
vorn.
    »Papa, Papa«, rief er,
»Opa passt schon wieder nicht auf.«
    Valdi blickte hoch und wandte sich
dem Alten zu. »Jetzt steuerst du zu sehr nach Osten. Versuch
doch mal im Kopf zu behalten, dass wir auf dem Weg nach Ketilsey
sind, um Seehundnetze auszulegen.«
    Der alte Mann schien völlig
verwirrt, aber dann besann er sich. Er steuerte gegen und nahm
direkten Kurs auf die Insel, die nicht mehr weit entfernt war. Dann
schaute er Valdi an und brummte taktfest: »Kerle fuhren nach
Ketilsey, den Seehund zu erlegen.«
    Valdi antwortete nicht, steckte das
Messer in die Tasche und klopfte die Pfeife an der Bordkante aus.
Dann begab er sich nach hinten ins Boot.
    Es war Niedrigwasser, als sie die
Insel erreichten, und die Anlegestelle an der Südseite lag
sehr geschützt. Valdi übernahm das Steuer, während
Jón Ferdinand mit einem Ankerstein bereitstand, der an einer
langen Kette befestigt war. Das Boot durchpflügte eine Welle,
die von den Felsen zurückgeworfen wurde. Valdi drosselte den
Motor. Der alte Mann ließ den Anker fallen, und die Kette
rasselte über Bord. Das Geräusch ließ die
Vögel auf der Insel hochschrecken. Ein Seehund streckte ganz
in der Nähe neugierig seinen Kopf hoch, bevor er blitzschnell
wieder in der Tiefe verschwand. Der kleine Nonni stand am Bug
bereit, und sobald das Boot von der Ankerkette gestoppt worden war,
griff er nach einem schweren, rostigen Eisenring, der in einen
Felsen eingelassen war, zog ein Tau hindurch und machte es fest.
Dann sauste er nach hinten ins Boot, beugte sich in den
Maschinenraum und schnappte sich ein paar alte Zeitungen, die dort
lagen. Valdi schaute dem Jungen nach, der aus dem Boot sprang und
hinter den Felsen verschwand.
    »Hab ich dir nicht strengstens
verboten, auf der Insel zu scheißen«, schrie er
übellaunig. »Die Seehunde riechen deinen Gestank noch
wochenlang.«
    Der kleine Nonni war sich seiner
Schuld bewusst. Das war eines der ungeschriebenen Gesetze, die bei
Fahrten zu den Seehundkolonien galten, aber diesmal ging es einfach
nicht anders. Er rannte die Insel hinauf, fand einen guten Platz
zwischen ein paar Felsen und ließ die Hosen herunter. Die
Erleichterung war enorm, und jetzt hatte er Zeit, sich umzuschauen.
Einige große Felsen umschlossen eine geschützte Mulde,
und ganz in der Nähe des Jungen brüteten zwei Eiderenten.
Sie rührten sich nicht, und man musste ein geübtes Auge
haben, um sie zu erkennen. Ein Austernfischer stand auf einem Stein
und lärmte. Wahrscheinlich befand sich sein Nest ganz in der
Nähe. Etwas weiter weg lag neben einem mächtigen Stein
der Kadaver eines großen Tieres.
    Nonni hatte schon oft so etwas
Ähnliches am Strand gesehen, Kleinwale, Robben oder
aufgedunsene Schafsleiber. Das hier war allerdings ein mehr als
ungewöhnlicher Anblick, denn dieser Kadaver steckte in einem
grünen Anorak.
    *
     
    »Erzähl mir etwas
über diese Handschrift von Flatey«, bat er sie. Sie
überlegte. »Willst du eine lange Geschichte hören
oder eine kurze?«, fragte sie
schließlich.
    »Eine lange Geschichte, wenn du
Zeit dazu hast.«
    Sie schaute aus dem Fenster, wo die
Sonne hinter den Bergen im Nordwesten unterging, und sagte leise:
»Jetzt habe ich genug Zeit.«

Zwei
    Donnerstag, 2. Juni
1960 
    Einmal in der Woche, und zwar
samstags, fuhr das Postboot von Stykkishólmur nach Flatey
und danach weiter in die Fjorde an der Nordseite des
Breiðafjörður. Dort legte es in
Brjánslækur an. Für die wenigen Bauern, die in
diesen straßen- und weglosen Fjorden lebten, war das Postboot
ein wichtiges Verkehrsmittel, denn wegen des großen
Gezeitenunterschieds waren in dieser Gegend sogar die Verbindungen
zu Wasser schwierig.    
    Nachdem die Straße über
den Kleifaheiði-Pass gebaut worden war, gab es für
Patreksfjörður und die Dörfer in den Fjorden
nördlich davon jedoch eine recht gute Anbindung an die
Außenwelt. Es kamen mit dem Postboot immer mehr Menschen
dorthin, und auch die Warentransporte nahmen zu.
    Von Brjánslækur nahm das
Schiff dieselbe Route zurück, legte kurz in Flatey an und
beendete seine Fahrt in Stykkishólmur. Die Reise dauerte
einen sehr langen Tag, und häufig konnte das Schiff erst
spät in der Nacht wieder im

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