Das Rätsel
sicher den Verstand zu verlieren oder auch zu verhungern, während er sich im Wohnheim verschanzte.
Inzwischen hatten sich die vier Polizisten in die Menge gedrängt. Einer schwang in großem Bogen einen Schlagstock aus Graphit. Links von ihm klirrte splitterndes Glas, dann folgte ein kreischender Schmerzensschrei. Als Jeffrey hinter dem Baum hervortrat, hatte sich die Menge bereits zerstreut, einige der Studenten liefen eilig davon. Die vier Polizisten standen breitbeinig über zwei jungen Männern, die in Handschellen zu Boden gedrückt wurden. Einer der Jugendlichen bäumte sich auf und spuckte auf die Cops, was ihm einen Tritt in den Brustkorb einbrachte. Der Junge schrie auf, so dass es von den Gebäuden rund um den Campus widerhallte.
Erst jetzt bemerkte der Professor eine Gruppe junger Frauen, die der Auseinandersetzung aus dem Fenster im zweiten Stock des Instituts für Rassenkonfliktforschung zugesehenhatten. Sie schienen den Vorfall amüsant zu finden, denn hinter der kugelsicheren Scheibe lachten sie und zeigten mit dem Finger auf das Geschehen. Sein Blick wanderte zum Erdgeschoss des Seminargebäudes, das in völligem Dunkel lag. Das war auf dem Campus bei nahezu allen Bauten die Regel. Es galt als zu schwierig und zu teuer, die Büros und Übungsräume im Parterre in Schuss zu halten. Zu viele Einbrüche, zu viel Vandalismus. Folglich hatte man sämtliche ebenerdigen Räume den Graffiti und zerbrochenen Fensterscheiben überlassen. Auf den Treppen nach oben waren Sicherheitsschleusen eingerichtet, die dabei halfen, die meisten Waffen aus den Hörsälen und Übungsräumen fernzuhalten. In jüngster Zeit war allerdings das Problem aufgetaucht, dass einige Studenten in den verlassenen Erdgeschosstrakten, jeweils unter den Räumen, in denen eine Klausur anstand, Feuer legten. Jetzt, in der Prüfungsphase, experimentierte der Wachdienst damit, in den leer stehenden Bereichen abgerichtete Hunde loszulassen. Die Tiere jaulten viel, so dass sich die Studenten bei den Klausuren schwer konzentrieren konnten, während ansonsten die Rechnung aber aufzugehen schien.
Die Ordnungshüter hatten die beiden Verhafteten aufgehoben und kamen auf Jeffrey zu. Er sah, dass sich ihre Köpfe unablässig in alle Richtungen drehten, um die Dächer im Auge zu behalten.
Scharfschützen, dachte er und horchte, ob Hubschrauber im Anflug waren, um zusätzlich Schutz zu bieten.
Er hätte sich nicht gewundert, wenn Schüsse gefallen wären, doch die blieben aus. Das überraschte ihn; man schätzte, dass über die Hälfte der fünfundzwanzigtausend Studenten an der Universität die meiste Zeit Waffen bei sich trugen, und ein netter kleiner Schuss, wenn sich zufällig ein Campus-Polizist als Zielscheibe bot, galt so wie ein Jahrhundert zuvor die Pep-Rallyvor dem Sportereignis als eine Art Initiationsritus. Im Lauf einer durchschnittlichen Samstagnacht kümmerte sich der Studentische Gesundheitsdienst neben dem üblichen Zustrom infolge von Schlägereien, Vergewaltigungen und Messerstechereien gewöhnlich um die Verletzungen eines halben Dutzends Schießereien, die sich irgendwo zufällig ergaben. Alles in allem jedoch, das wusste Jeffrey, war die Statistik nicht alarmierend, sondern hielt sich im Normalbereich. Er musste daran denken, wie glücklich er sich schätzen konnte, dass die Universität in einer kleinen, vorwiegend ländlichen Collegestadt lag. An den großen, städtischen Lehranstalten waren die Zahlen viel schlimmer. Dort war man seines Lebens nicht sicher.
Er zeigte sich auf dem Gehweg, und einer der Polizisten drehte sich in seine Richtung.
»He, Professor, wie geht’s?«
»Danke, mir geht’s gut. Gibt es Probleme?«
»Die beiden hier? Nee. Wirtschaftsstudenten. Meinen, die Welt gehörte jetzt schon ihnen. Eine Nacht hinter Gittern bringt sie wieder zur Vernunft. Ein paar Schläge auf den Hinterkopf sollen bekanntlich das Denkvermögen fördern.« Der Freund und Helfer zog mit einem Ruck die Arme des Teenagers hoch, und der Junge fluchte vor Schmerz. Kaum ein Campus-Wachmann hatte die Collegebank gedrückt. Die meisten entstammten dem neuen staatlichen Berufsschulsystem und hatten für die Studenten, unter denen sie lebten, nur Verachtung übrig.
»Gut. Niemand verletzt?«
»Diesmal nicht. He, Professor, sind Sie allein?«
Jeffrey nickte.
Der Polizist zögerte. Er und sein Partner hatten einen der Kampfhähne in festem Griff zwischen sich, so dass sie ihnhalb über den Gehweg schleiften. Der Wachmann
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