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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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schüttelte den Kopf.
    »Sollten nicht allein rumlaufen, schon gar nicht gegen Abend, Professor. Wissen Sie doch. Sie sollten beim Begleitschutz anrufen und sich jemand schicken lassen, der Sie zum Parkplatz bringt. Sind Sie bewaffnet?«
    Jeffrey klopfte mit der flachen Hand auf seine halbautomatische Pistole, die in seinem Gürtel steckte.
    »Okay«, sagte der Polizist zögerlich. »Aber lassen Sie sich gesagt sein, Professor, Sie haben an Ihrer Jacke Knöpfe und Reißverschluss zugemacht. Es wäre besser, Sie kämen schnell an Ihre Pistole ran, statt dass Sie sich erst halb ausziehen müssen, bevor Sie auch nur einen Schuss abfeuern können. Hol mich der Teufel, wenn nicht der erste bekiffte Grünschnabel mit ’nem Sturmgewehr, der sauer auf Sie ist, längst Schweizer Käse aus Ihnen gemacht hat, bevor Sie die Waffe gezogen haben …«
    Beide Beamten lachten, und Jeffrey nickte lächelnd.
    »Keine schöne Art, seinen Hut zu nehmen. Kleiner Snack für einen Psychopathen, nehme ich an, ein bisschen Senf, ein bisschen Schweizer Käse. Klingt doch eigentlich gar nicht so schlecht.«
    Die Cops lachten immer noch. »Okay, Professor, passen Sie auf sich auf. Haben nämlich keine Lust, Sie in ’nen Leichensack zu packen. Und wechseln Sie immer wieder die Route.«
    »Hört mal, Jungs«, erwiderte Jeffrey und öffnete die Arme weit, »für wie dämlich haltet ihr mich?«
    Die Polizisten nickten, auch wenn er vermutete, dass sie jeden, der an der Uni lehrte, grundsätzlich für dämlich hielten. Mit einem weiteren Ruck an den Armen ihres Gefangenen setzten sie ihren Weg über das Gelände fort. Der Junge brüllte, sein Vater werde sie wegen Gewaltanwendung verklagen,doch seine Schreie und Beschwerden verhallten im frühen Abendwind.
    Jeffrey sah ihnen hinterher, bis sie im Innenhof verschwanden. Ihr Weg war vom gelblichen Schein der Straßenlaternen ausgeleuchtet, die helle Kreise in die rasch einsetzende Dunkelheit schnitten. Er zögerte einen Moment, dann lief er zügig weiter. Er ignorierte ein Auto, das auf einem der ungesicherten Parkplätze, von einer Brandbombe entzündet, lichterloh brannte. Wenig später trat eine studentische Prostituierte aus dem Schatten und bot ihm Sex im Tausch gegen Seminarbescheinigungen an; er wies sie ab und hastete weiter, während seine Gedanken um die Aktentasche und den Überbringer kreisten, der zu wissen schien, wer er war.
     
    Seine Eigentumswohnung lag einige Häuserblocks vom Campus entfernt in einer eher ruhigen Nebenstraße, die ursprünglich zu Wohnungszwecken für die Universitätsangehörigen errichtet worden war. Sie bestand aus älteren Holzrahmenhäusern mit weißen Schindeln und hatte einen gewissen viktorianischen Flair dank der breiten, überdachten Hauseingänge und der Fensterscheiben mit Facettenschliff. Noch vor einem Jahrzehnt waren die Häuser wegen ihres nostalgischen Charmes und ihres jahrhundertealten Erbes heiß begehrt gewesen. Doch wie fast alles Alte in der Kommune hatten praktische Erwägungen ihren Wert gemindert; sie waren bei Einbrechern beliebt – wegen ihrer zurückgesetzten Lage im Schatten von Bäumen und Büschen sowie wegen der veralteten Verkabelung, die sich für pyroelektrische Alarmanlagen nicht eignete, waren sie wenig sicher. Seine eigene Wohnung verfügte wenigstens über eine ältere Videoüberwachung.
    Aus Gewohnheit war dies das Erste, was er bei seiner Heimkehr überprüfte. Beim schnellen Zurückspulen des Videosüberzeugte er sich davon, dass die einzigen Besucher an diesem Tag der hiesige Briefträger – wie immer in Begleitung seines Kampfhundes – war, dem wenig später zwei junge Frauen mit Skimasken folgten. Offensichtlich auf der Suche nach schneller Beute hatten sie seinen Türknauf ausprobiert, sich dann allerdings von der Elektroschockanlage abschrecken lassen, die er persönlich eingebaut hatte. Nicht stark genug, um jemanden umzubringen, doch immerhin so kräftig, dass jeder, der die Hände um den Griff legte, sich fühlen musste, als hätte ihm jemand mit voller Wucht einen Klinkerstein auf den Arm geschleudert. Er sah, wie eine der Frauen zu Boden ging und vor Wut und Schmerz aufheulte, was ihn mit einer Woge der Befriedigung erfüllte. Er hatte die Vorrichtung selbst erfunden, und sie stützte sich auf die Kenntnis der menschlichen Natur. Jeder, der irgendwo einbrechen möchte, wird es unweigerlich zuerst mit der Tür versuchen, nur um sicherzugehen, dass tatsächlich abgeschlossen war. Seine war es natürlich nicht.

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