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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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entfremdet. Wir haben uns gestritten. Sie ist gegangen. Traurig, aber keine Seltenheit. Vielleicht passten wir einfach nicht zusammen. Wer weiß?
    F. Und Ihre Kinder?
    A. Wir haben zwei. Susan ist sieben und mein Sohn, er heißt nach mir Jeffrey, ist neun. Sie kommt zurück, Detective. Ist sie immer. Und falls nicht, dann muss ich sie eben finden. Habe ich ebenfalls immer. Und dann sind wir wieder alle zusammen. Wissen Sie, manchmal hat man dieses Gefühl, eine Art Schicksalsahnung vielleicht, dass man, egal wie schwierig oder entmutigend die Beziehung sein mag, absolut dazu bestimmt ist, zusammenzubleiben. Für immer. Unlösbar miteinander verbunden.
    F. Dann hat sie Sie nicht zum ersten Mal verlassen?
    A. Wir hatten auch vorher schon unsere Probleme. Ein-, zweimal haben wir uns vorübergehend getrennt. Ich werde sie finden. Es ist nett von Ihnen, so viel Anteilnahme an meiner familiären Situation zu zeigen.
    F. Und wie wollen Sie sie finden, Mr. Mitchell?
    A. Über ihre Familie. Ihre Freunde. Wie stellt man es an, jemanden zu finden, Detective? Niemand möchte wirklich richtig verschwinden. Niemand möchte sich in Luft auflösen.Jedenfalls niemand, der nicht kriminell ist. Man will einfach nur woanders hin und einen neuen Anfang machen. Also nimmt man früher oder später irgendwo einen Faden wieder auf, der einen mit seinem früheren Leben verbindet. Man schreibt einen Brief. Macht einen Anruf. Irgendwas. Wenn man jemanden sucht, braucht man nur das andere Ende des Fadens in Händen zu nehmen und auf diesen kleinen Ruck zu warten. Aber das wissen Sie selbst, Detective, nicht wahr?
    F. Der Mädchenname Ihrer Frau?
    A. Wilkes. Ihre Familie stammt aus Mystic, Connecticut. Ich kann Ihnen gerne ihre Sozialversicherungsnummer aufschreiben. Wollen Sie mir vielleicht die Suche abnehmen?
    F. Wie erklären Sie es sich, dass ich in Ihrem Auto ein Paar Handschellen gefunden habe?
    A. Verstehe. Jetzt eilen wir den Dingen ein bisschen voraus. Sie haben sie gefunden, weil Sie ohne richterliche Verfügung illegal mein Auto durchsucht haben. Dafür brauchen Sie einen Durchsuchungsbefehl.
    F. Wozu dienten sie?
    A. Ich bin ein Krimifan. Ich sammle Polizei-Utensilien.
    F. Wie viele Geschichtslehrer haben Handschellen bei sich?
    A. Keine Ahnung. Ein paar? Viele? Wenige? Verstößt es gegen das Gesetz, welche zu besitzen?
    F. An Emily Andrews’ Leiche wurden Spuren festgestellt, die darauf hindeuten, dass sie mit Handschellen an den Gelenken gefesselt war.
    A. Hindeuten ist ein schwaches Wort, finden Sie nicht, Detective? Ein überaus fadenscheiniger, dehnbarer, nichtssagender Begriff. Sie mag solche Spuren aufgewiesen haben, von meinen Handschellen stammen sie jedenfalls nicht.
    F. Ich glaube Ihnen nicht. Ich glaube, Sie lügen.
    A. Dann steht es Ihnen ja frei, es mir zu beweisen. Aber das können Sie nicht, Detective, stimmt’s? Denn wenn Sie es könnten, würden wir nicht unser beider Zeit verschwenden, nicht wahr?
     
    Die Antwort des Beamten stand nicht mehr auf den Seiten, die Jeffrey in Händen hielt. Einen Moment lang sah er nicht auf, obwohl er spürte, wie ihn Martins Blick durchbohrte. Er las ein paar Aussagen seines Vaters noch einmal und stellte fest, dass er nach all den Jahren die Worte auf dem Papier in der Stimme seines Vaters hören konnte und dass er im Geist seinen Vater gegenüber dem Polizisten sitzen sah, so wie er ihn zu Hause am Esstisch hatte sitzen sehen. Es war, als spulte in ruckelnden, zerkratzten Bildern ein uralter Amateurfilm vor seinen Augen ab, und er blickte abrupt auf, um Agent Martin die Seiten hinzuschieben.
    Jeffrey zuckte die Achseln wie ein armer Schauspieler, der aufgrund einer Verwechslung mit dem berühmten Kollegen am anderen Ende der Bühne vom Scheinwerferlicht erfasst wird.
    »Das sagt mir nicht allzu viel …«, log er.
    »Ich denke doch.«
    »Haben Sie noch mehr?«
    »Und ob, aber es läuft aufs Gleiche hinaus. Ausweichend und haarspalterisch, aber selten provokant. Ihr Vater ist ein intelligenter Mann.«
    »War.«
    Der Agent schüttelte den Kopf. »Er war eindeutig der beste Verdächtige. Das Opfer wurde dabei gesehen, wie es in sein oder ein ähnliches Auto stieg, und unter dem Beifahrersitz wurden Blutspuren sichergestellt. Und diese Handschellen.«
    »Und?«
    »Das war’s mehr oder weniger. Der Detective wollte ihn verhaften lassen – war darauf versessen, ihn zu verhaften –, bis die Blutproben aus dem Labor zurückkamen. Nichts zu machen. Die Blutrückstände passten nicht

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