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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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beschreibt und von Ihrem lieben alten Dad nur einen Haufen Unschuldsbeteuerungen zu hören bekommt.«
    »Richtig. Ende der Geschichte.«
    »Nicht ganz.«
    Martin blätterte die Papiere noch einmal durch und zog schließlich drei Blätter aus der Mitte der Akte, die er Jeffrey hinschob. Der Professor warf einen Blick auf die Seitenzahlen: kurz unter hundert. Er rechnete überschlägig nach – zwei Seiten pro Minute – und stellte fest, dass zu diesem Zeitpunkt die Vernehmung seines Vaters schon fast eine Stunde gedauert haben musste. Er überflog den Text. Es handelte sich dabei offensichtlich um die Abschrift eines Stenographen; den reinen Fragen und Antworten war nichts hinzugefügt – keine Beschreibung der beiden Männer, die sich unterhielten, keineAngaben zu Tonfall und Habitus oder den nervlichen Zustand des Befragten. Er hätte gern gewusst, ob der Beamte gesessen oder gestanden hatte. Lief er vielleicht umher und umkreiste seinen Verdächtigen wie ein Raubvogel die Beute? Stand meinem Vater der Schweiß auf der Stirn oder leckte er sich vor jeder Antwort die Lippen? Schlug der Detective mit der Hand auf den Tisch? Beugte er sich bedrohlich über meinen Vater? Oder war er eiskalt, konzentriert und plazierte seine Fragen präzise wie Nadelstiche? Und mein Vater? Lehnte er sich mit einem leichten Grinsen zurück und parierte jeden Vorstoß mit dem Geschick eines Fechters, genoss er gar die wachsende Herausforderung als eine Art Spiel?
    Jeffrey hatte einen kleinen Raum vor Augen, vermutlich mit einer einzigen Lampe an der Decke. Ein kleiner, kahler Raum mit nackten Wänden, moderner Schalldämmung und einer Wolke aus Zigarettenrauch über einem zweckdienlichen, quadratischen Tisch. Zwei einfache Stahlrohrstühle. Keine Handschellen, da der Mann nicht vorläufig festgenommen war. Ein Tonband auf dem Tisch, das geräuschlos Worte sammelte, Tonrollen, die sich gleichmäßig drehten, als warteten sie auf das Geständnis, zu dem es nie kam.
    Was noch? Ein Spiegel an der Wand, der in Wahrheit ein Beobachtungsfenster war und den er als solches erkannt und ignoriert haben musste.
    Jeffrey hielt abrupt in seinen Gedanken inne. Woher willst du das wissen? Woher willst du wissen, wie dein Vater an diesem Abend aussah, sich benahm und wie er klang?
    Er bemerkte das leichte Zittern in der Hand, als er die Abschrift zu lesen begann. Als Erstes fiel ihm auf, dass der Beamte nicht namentlich genannt war.
    F. Mr. Mitchell, Sie sagen, in der Nacht, als Emily Andrews verschwand, waren Sie zu Hause bei Ihrer Familie. Richtig?
    A. Ja, das stimmt.
    F. Kann Ihre Familie das bezeugen?
    A. Ja, wenn Sie sie finden.
    F. Sie leben nicht mehr zusammen?
    A. Richtig. Meine Frau hat mich verlassen.
    F. Wieso? Und wo ist sie hingegangen?
    A. Das weiß ich nicht. Und was das Wieso betrifft, so kann diese Frage wohl nur meine Frau beantworten. Das wiederum könnte schwierig werden. Ich vermute, sie ist in den Norden gezogen. Vielleicht nach New England. Sie hat immer betont, dass sie das kältere Klima liebt. Seltsam, nicht wahr?
    F. Demnach gibt es niemanden, der Ihr Alibi bestätigen kann?
    A. Alibi ist ein Wort mit einer bestimmten Konnotation, nicht wahr, Detective? Und ich kann eigentlich nicht recht sehen, wieso ich ein Alibi brauchen sollte. Tatverdächtige brauchen ein Alibi. Bin ich ein Tatverdächtiger, Officer? Bitte korrigieren Sie mich, falls mir was entgangen ist, aber die einzige Verbindung, die Sie zwischen mir und dieser unglücklichen jungen Frau hergestellt haben, ist offenbar der Umstand, dass sie meinen Geschichtsunterricht besucht hat. In der fraglichen Nacht war ich zu Hause.
    F. Jemand hat beobachtet, wie sie zu Ihnen ins Auto gestiegen ist.
    A. Ich glaube, an dem Abend, an dem sie verschwand, war es dunkel und regnerisch. Sind Sie sicher, dass es mein Wagen war? Nein, hätte mich auch gewundert. Selbst wenn, was wäre verkehrt daran, eine Schülerin an einem kalten, unwirtlichen Abend ein Stück mit dem Auto mitzunehmen?
    F. Dann bestätigen Sie also, dass sie an dem letzten Abend, an dem sie lebendig gesehen wurde, zu Ihnen ins Auto gestiegen ist?
    A. Nein, das tue ich nicht. Ich sage nur, dass es nichts Ungewöhnliches ist, wenn irgendein Lehrer einen Schüler im Auto mitnimmt. An diesem fraglichen Abend. Oder auch jedem anderen Abend.
    F. Ihre Frau hat Sie aus heiterem Himmel verlassen?
    A. Wir drehen uns im Kreis, nicht wahr? Solche Dinge passieren nicht über Nacht, Detective. Wir hatten uns schon seit einiger Zeit

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