Das Rascheln von Rosmarin (Historische Romane) (German Edition)
hatte den Schnee zu nassen, klumpigen Häufchen eingeschmolzen. Den Morgen hatte sie im Kräutergarten verbracht, wo sie für ihren Rundgang im Dorf gerade heute Elixiere und Umschläge zubereitet hatte. Dann war sie mit ihrem Lederbeutel voller getrockneter Kräuter und kleiner Arzneifläschchen und Elixieren aus dem dunklen Wohnturm geschlüpft, hinein in die kalte, klare Luft. Nachdem sie einmal tief Atem geholt hatte, überquerte Maris mit raschem Schritt den Burghof. Die Morgensonne blendete sie zwar ein wenig, aber sie sah dennoch, wie die Männer ihres Vaters sich versammelten, um sich in der Waffenkunst zu üben. Sie wäre ohne einen weiteren Blick an ihnen vorüber gegangen, wenn ihr Blick nicht an einem Übungskampf hängen geblieben wäre.
Maris hielt an, neugierig, und erkannte Dirick, der nun mit Raymond de Vermille als Gegner zu kämpfen hatte. Dirick hatte seine dunkle Tunika abgeworfen und trug nur ein ärmelloses Leinenpelisson sowie eng anliegende Beinkleider aus Wolle. Die Schwerter blitzten, fingen mit jeder Bewegung und jedem Zustoßen die Sonnenstrahlen ein, Arme und Beine bewegten sich wie eine wunderbare Choreographie.
Trotz ihrer anderen Aufgaben verweilte die Aufmerksamkeit von Maris auf Dirick, sie bewunderte seine Anmut und seine unbändige Kraft, als er den besten Schwertkämpfer ihres Vaters rückwärts in ein Grüppchen Zuschauer drängte.
Sie lehnte sich an die Steinmauer und beobachtete alles aus den Schatten dort heraus. Sie musste einfach alles sehen: jede geschmeidige Bewegung, sehen wie Diricks Hose locker an ihm hing, dann wieder spannte, seine kraftvollen Beine umschlang und wieder losließ. Als seine Beinkleider sich bei einem überaus athletischen Ausfallschritt besonders eng um seine Oberschenkel schmiegten, schluckte sie schwer und ihre Hand packte den Lederbeutel fester.
Schweiß schimmerte an seinen gebräunten Armen, rann über die harten Muskeln und die hervortretenden Sehnen dort, um in die Luft zu spritzen, als er Raymonds gut geführtem Schwert auswich. Sonne und Schatten huschten spielerisch über seine mächtigen Arme und funkelten auf den haarigen Unterarmen. Maris’ Hals war jetzt wie ausgedörrt beim Schlucken. Er war wunderschön, gottähnlich, anmutig ... männlich.
Sie konnte sich nicht losreißen, selbst als sie spürte, wie der Blick ihres Vaters kurz auf ihr zu ruhen kam. Der dunkelhaarige Krieger kämpfte weiter, beachtete die Zuschauer gar nicht, war sich auch der Gegenwart von Maris nicht bewusst – nicht einmal die dichten Haarlocken, die ihm den Schweiß auf die Stirn fallen ließen, beachtete er. Sein Gesicht war unter höchster Anspannung. Seine Augen, vor der Sonne geschützt, blieben immer auf seinem Gegner. Diricks volle Lippen – genau jene Lippen, von denen sie so süß geküsst worden war – waren jetzt schmal vor Konzentration, wie vollkommen eingemeißelt in sein Gesicht. Mit einem nach vorne geschobenen Kinn stieß er einen tiefen, angestrengten, unterdrückten Schrei aus und die Adern und Sehnen an seinem Hals pulsierten, als er kraftstrotzend auf Raymond losging, diesen rückwärts trieb, zurück, zurück – mit einem mächtigen Schwertstreich.
Ein Schwert ging scheppernd zu Boden und mit einem Triumphschrei hob Dirick sein eigenes Schwert in die Höhe, ließ dann seine Arme wieder sinken und stand schwer atmend da. Ein Siegergrinsen erhellte seine Gesichtszüge und unter dem Gejohle und Gegröle der Zuschauer wischte er sich die Haare aus den Augen.
Als er sich schließlich umdrehte, um den Kreis von Männern, der sich um ihn drängte, anzusehen, machte Maris abrupt auf dem Absatz kehrt und eilte davon, bevor er bemerkte, wie sie ihn da anglotzte. Sie eilte zum Burghof hinaus, nahm sich kaum Zeit die Wachtposten dort zu grüßen und eilte ins Dorf.
Obwohl sie sich den Tag über mit Krankenbesuchen und dem Erteilen von Ratschlägen an die tüchtigen Frauen des Dorfes recht beschäftigt hielt, kehrten Maris’ Gedanken immer wieder zu dem kraftvollen, muskulösen Ritter zurück. Sie hatte Zeit mit ihm verbracht, mit Neckereien und hatte mit ihm gesprochen, als wäre er ein Mann wie jeder andere oder ein gewöhnlicher Soldat ... aber jetzt ... jetzt konnte sie ihn nur noch als einen mächtigen Krieger sehen, hart und skrupellos, unnachgiebig ... übermächtig ... ein Mann.
Ihr Atem wurde ganz schwach. Ein Krieger hatte sie geküsst, zärtlich geküsst. Es war unmöglich die Zärtlichkeit und Wärme
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