Das Regenbogenschwert: Die Legende von Hawk und Fisher (Dämonenkrieg) (German Edition)
das Einhorn.
Rupert nickte, den Blick starr auf die undurchdringliche Finsternis gerichtet.
„Komm schon“, forderte ihn Julia schlie ß lich auf. „Je eher wir aufbrechen, desto schneller sind wir auf der anderen Seite wieder draußen.“ Sie blickte Rupert erwartungsvoll an.
„Ich kann nicht“, sagte er hilflos.
„Was ist los?“, knurrte Julia. „Angst im Dunkeln?“
„Ja“, sagte Rupert leise. „Oh, ja.“
Julia sah ihn überrascht von der Seite an. Jetzt erst merkte sie, dass seine H ä nde zitterten und sein Gesicht kalkwei ß war.
„Du machst Witze, oder? Das kann nicht dein Ernst sein. Angst im Dunkeln!“
„Halt die Klappe“, sagte das Einhorn. „Du verstehst das nicht.“
„Ich vielleicht schon“, sagte der Drache. Seine gro ß en, goldenen Augen musterten das Dunkel argwöhnisch. „Der Düsterwald war schon alt, als ich mich in der Bl ü te meiner Jahre befand, Julia. Wenn man den Legenden glauben darf, gab es ihn von Anfang an und wird ihn immer geben – die auf Erden manifestierte Macht der Finsternis. Wer es wagt, ihn zu betreten, kann Schaden an Leib und Seele nehmen.“ Der Drache starrte eine Weile ins Dunkel und wandte sich dann unbehaglich ab. „Was ist dir im Düsterwald zugesto ß en, Rupert?“
Rupert rang nach Worten, um das wahre Ausma ß des Grauens auszudrücken, aber es gab keine. Er wusste einfach ohne den geringsten Zweifel, dass er sterben oder den Verstand verlieren w ü rde, wenn er den Düsterwald noch einmal betr ä te. Ein Ruck ging durch seinen K ö rper, als er den Blick endlich von der Dunkelheit losriss. Er hatte dem Düsterwald schon einmal getrotzt; er konnte es auch ein zweites Mal. Verzweifelt klammerte sich Rupert an diesen Gedanken. Die lange Nacht hatte ihn gezeichnet, aber sie hatte ihn nicht gebrochen. Möglicherweise war die Reise diesmal leichter zu ertragen. Er hatte Nahrung, Wasser und Gef ä hrten, und es gab gen ü gend trockenes Holz f ü r Fackeln.
„Wenn ich es jetzt nicht wage, werde ich immer Angst im Dunkeln haben“, dachte er.
Rupert holte tief Luft und stieß sie bebend wieder aus.
„Rupert“, sagte der Drache, „was ist dir im Düsterwald zugesto ß en?“
„Nichts“, antwortete Rupert mit rauer Stimme. „Gar nichts. Gehen wir.“
Er dr ä ngte das Einhorn vorw ä rts, aber das Tier z ö gerte und sah ihn an.
„Rupert, du musst das nicht tun …“
„Beweg dich, verdammt!“, raunte Rupert, und das Einhorn folgte ihm schweigend in den Düsterwald. Julia folgte dem Einhorn, und der Drache ü bernahm die Nachhut, ohne auf die Dornen zu achten, die mit einem garstigen Ger ä usch seine Schuppen streiften.
Die Nacht brach ü ber sie herein, als sie die Grenze zum Düsterwald ü berschritten, und Rupert biss sich auf die Lippen, um nicht laut aufzuschreien. Die vertrauten Ger ä usche der Natur verstummten, wichen einer schwermütigen, bleiernen Stille. Im Dunkel lauerten D ä monen. Er sah sie nicht, aber er wusste, sie waren da. Alle seine Instinkte schrien, er solle eine Fackel anz ü nden, doch er wagte es nicht. Licht zog D ä monen unweigerlich an, und das Dorngestr ü pp ringsum w ü rde die Gruppe zu einem leichten Opfer machen. Er eilte weiter und zuckte zusammen, als sich Stacheln in seine ausgestreckten H ä nde bohrten. Der Weg war schmaler, als er ihn in Erinnerung hatte, aber schlie ß lich wichen die Str ä ucher zur ü ck, und Rupert raunte seinen Begleitern zu, einen Augenblick stehenzubleiben. Er kramte das Zunderkästchen aus seinem Rucksack und entfachte nach mehreren vergeblichen Versuchen eine Fackel. Die tanzende Flamme wirkte seltsam ged ä mpft, als dulde der Düsterwald nicht einmal ihren Schein in seinem Herrschaftsbereich. Modernde B ä ume s ä umten den schmalen Weg. Ihr Geäst trug keine Belaubung, und klaffende Risse enth ü llten dunkles Kernholz, aber Rupert wusste mit furchtbarer Gewissheit, dass sie irgendwie noch lebten.
„Rupert …“, sagte Julia.
„Sp ä ter“, sagte er grob. „Gehen wir.“
Die Gruppe zog in ihrem winzigen Lichtkreis langsam den gewundenen Weg entlang, aufs Herz der Finsternis zu.
Sie waren noch nicht lange unterwegs, als der erste D ä mon sie fand. Missgestaltet und verwachsen kauerte er am Rand des Lichtscheins; seine Augen glommen rot aus den Schatten. Rupert zog sein Schwert, und der D ä mon verschwand geräuschlos wieder im Dunkel.
„Was zur Hölle war das?“, fl ü sterte Julia.
„D ä mon“, sagte Rupert knapp. Die Narben auf seiner
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