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Das Regenmaedchen

Das Regenmaedchen

Titel: Das Regenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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weiß
nicht.«
    Sie lachte leise, und er sagte nichts mehr. Ihre
Zungenspitze kreiselte sachte um sein Auge. Er zitterte. Ein bisschen nur. Aber
immerhin.
     
    »Erzählen Sie«, sagte Franza aufmunternd und musterte den
jungen Mann, der einen erbärmlichen Eindruck machte. Übermüdet und fahl im
Gesicht, mit gelockertem Krawattenknopf und braunen Flecken auf einem ansonsten
tadellosen Hemd.
    Ein Polizist hatte ihm eine Stunde zuvor, als er des
Wartens langsam überdrüssig geworden war, einen Becher Thermoskannenkaffee
gebracht, der war so heiß gewesen, dass er sich beim Nippen die Lippen verbrüht
und dann darüber das Hemd ruiniert hatte.
    Nun stand diese Frau vor ihm, Ermittlerin der
Kriminalpolizei, und er verstand nicht, warum er noch einmal erzählen sollte,
was er bereits mehrere Male erzählt hatte, er verstand nicht, warum alles
Stunden dauerte. Beamte, dachte er wütend. Typisch! Fixes Gehalt, fixe
Arbeitszeiten, fixe Bequemlichkeit! Er sehnte sich nach seinem Büro, nach
seiner Sekretärin, sogar nach seiner Frau - nach seinem normalen Leben eben.
    Ewig hatte es gedauert, ewig, bis diese Ermittlerin,
Franza Oberwieser, wenn er den Namen richtig verstanden hatte, ein merkwürdiger
Name im Übrigen, und ihr Kollege hier aufgetaucht waren. Sie fanden es auch
nicht der Mühe wert, sich für ihr spätes Kommen zu entschuldigen, Polizisten
eben, machten, was sie wollten, und er musste es büßen.
    »Hören Sie«, sagte er und fühlte, wie er innerlich zu
vibrieren begann, »ich habe das jetzt schon tausend Mal erzählt.«
    Sie lächelte nachsichtig. »Ja«, sagte sie. »Herr Bohrmann,
ich weiß. Trotzdem erzählen Sie es noch einmal.«
    Er holte tief Luft. »Also gut«, seufzte er. »Also gut, ich
war auf der Heimfahrt, habe nichts Schlimmes gedacht, Musik gehört, da war sie
plötzlich da. Wie aus dem Nichts. Vor meinen Augen. Wie ein Gespenst. Innerhalb
einer Sekunde. Wie ein Gespenst. Ich konnte nichts tun. Glauben Sie mir,
nichts! Sie ist mir einfach vors Auto gelaufen. Einfach so. Zack.«
    Er wurde still, sein Gesicht verfiel, Franza spürte, dass
sie ihm weiterhelfen musste. »Und dann? Was war dann?«
    Er hob den Kopf und schaute sie an. Langsam kam er zurück.
    »Dann?«, fragte er leise. »Nichts. Ich hab ihre Augen
gesehen. Ganz kurz. Eigentlich gar nicht. Es hat ja geregnet. Und geschrien hat
sie. Glaube ich.«
    Er verstummte, schaute auf seine Schuhe.
    »Woher kam sie?«, fragte Franza.
    Er zuckte die Schultern und deutete vage auf die Seite und
nach rückwärts. »Ich weiß es nicht. Von irgendwo. Vielleicht von da hinten. Ich
glaube, da war ein Rastplatz. Ja. Genau. Ein Rastplatz. Woher sollte sie sonst
kommen? Von den Feldern? In der Nacht? Ich weiß es nicht.«
    Franza nickte. »Ist Ihnen noch etwas anderes aufgefallen?«
    Er schüttelte den Kopf. Sie sah, dass er verwirrt war,
müde. Trotzdem fragte sie weiter. Es musste sein. Die ersten Eindrücke waren
die wichtigsten.
    »Wurde sie möglicherweise verfolgt? Haben Sie jemanden
gesehen?«
    »Was? Verfolgt? Keine Ahnung!« Er wurde hysterisch, begann
zu zittern. »Nein! Ich weiß es doch nicht!«
    »Beruhigen Sie sich«, sagte Franza. »Herr Bohrmann,
beruhigen Sie sich. Sie haben es bald hinter sich. Also?«
    Er zwang sich zur Ruhe. »Nein«, sagte er und hatte seine Stimme wieder unter Kontrolle. »Ich habe
niemanden gesehen. Bis auf diesen Herrn, der - dann die Polizei verständigt hat
und den Notarzt und all das.«
    Er deutete auf den Mann mittleren Alters, der
gestikulierend Herz Rede und Antwort stand. Franza folgte seinem Blick und
nickte.
    »Hören Sie«, sagte Bohrmann, »sind wir jetzt endlich
fertig? Ich bin hundemüde, ich habe zu arbeiten. Meine Frau wird sich Sorgen
machen.«
    »Gleich«, beruhigte ihn die Ermittlerin. »Gleich. Ein
Kollege wird Sie dann nach Hause bringen. Haben Sie Ihre Frau noch nicht
informiert?«
    Da wurde er noch nervöser. Ganz plötzlich. Von einer
Sekunde zur anderen.
    Franza nahm es überrascht zur Kenntnis, zog die
Augenbrauen hoch, begann innerlich zu lächeln. Immer das Gleiche.
    »Hören Sie, ich ...«, stammelte er, »nein, ich ... bin
noch nicht dazu gekommen.« Er schluckte, fand seine Wut wieder. »Aber das ist
doch wohl privat! Das geht Sie doch gar nichts an!«
    »Oh!«, sagte Franza sanft. Sie wunderte sich nicht über
ihre Gemeinheit, dachte kurz an Port. »In Ihrer Situation geht uns alles etwas
an. Schon vergessen, Sie haben einen Menschen totgefahren.«
    Er schaute starr zu Boden, kaute

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