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Das Regenmaedchen

Das Regenmaedchen

Titel: Das Regenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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hörte, wie Felix seufzte. »Zwanzig Minuten?! Wo bist
du überhaupt?«
    »Ja«, sagte sie. »Zwanzig Minuten. Ganz genau.« Überging
den letzten Teil seiner Frage. Legte auf.
    Eine Tote auf der Autobahn. Klang nach Verkehrsunfall. Was
hatten sie damit zu schaffen, sie, Franza und Felix. Sie waren die Kripo!
    Sie drehte das Wasser wieder an. Kalt. Es rann über ihr
Gesicht, ihre Zähne begannen zu klappern. Eine Tote also. Im Juniregen, der
wachsen ließ.
    Sie seufzte. Offensichtlich also kein Verkehrsunfall oder
zumindest ein dubioser.
    Die üblichen Fragen stellten sich ein: Wer? Was geschehen?
Wie? Und warum?
    »Musst du weg?«, fragte Port. »Schade. Ich dachte, wir
würden noch zusammen frühstücken.«
    Franza schüttelte den Kopf, stieg aus der Dusche. »Lässt
du mich allein? Sei so gut.«
    Als sie ging, stand er an den Esstisch gelehnt, ein
abgegriffenes Textbuch in der Hand, ein bisschen Schatten im Blick, ein
bisschen Spott. Kurz berührte sie seine Halsbeuge, hielt ihre Nase an seine
Brust, sog tief seinen Geruch ein. Er rezitierte eine Textstelle aus dem Stück,
in dem er bald spielen würde, so dicht in ihr Ohr, dass es kitzelte.
     
    Auf der Straße roch der Regen nach Sommer, sie blieb
stehen und freute sich über den Duft und ein Spruch fiel ihr ein, den sie als
Kinder gedacht hatten, während sie durch den Regen liefen, und also dachte sie
ihn jetzt auch: Lass mich wachsen. Lass mich wachsen.
    Daran hatte sie als Kind geglaubt. Auch noch als
Jugendliche. Dass Juniregen wachsen ließ. Alles gut machte und weich war, wie
Samt. Inzwischen war ihr fast jeder Glaube abhandengekommen. Zu viel hatte sie
sehen müssen im Laufe ihres Erwachsenenlebens, im Zuge ihres Berufes. Lediglich
die Magie des Juniregens war geblieben, und sie lief hinaus, hinein in die
Tropfen, wann immer es ging und nicht allzu peinlich war. Da stand sie dann mit
geschlossenen Augen, hochgerecktem Kopf und ebensolchen Armen und hoffte auf
Gutsein, auf Weichwerden und Großwachsen.
    Auch Portugal war so eine Art Juniregen, konserviert für
das ganze Jahr, dadurch wurde alles erträglicher. Selbst die Hitze, die
bevorstand, und die Toten, die dann schweißig aussehen würden und müde.
    Seit Franza Kripobeamtin war, sehnte sie sich nach den
Jahresrändern. Wenn der Schnee knirschte und das Eis in der Sonne glänzte,
sahen die Toten anders aus. Nicht so tot. Feierlicher. Besser.
    Vor der Polizeidirektion stand Felix Herz. »Ein Mädchen«,
sagte er, als er ins Auto sprang. »Sah zuerst aus wie Selbstmord, tauchte laut
Unfallfahrer plötzlich vor dem Wagen auf. Aber dann wurde die Sache ein wenig
mysteriöser. Sie haben Blut gefunden.«
    Franza runzelte die Stirn. »Blut? Was ist daran mysteriös?
Ist doch normal bei einem Verkehrsunfall.«
    »Schon«, sagte Herz. »Neben der Leiche und um die Leiche
herum. Aber nicht hundert Meter davon entfernt auf einem Rastplatz.«
    »Ach«, sagte Franza und überlegte, »aber es regnet, und
das seit Stunden. Da muss doch alles weggeschwemmt sein.«
    »Schon«, sagte Herz. »Aber nicht unter einer Überdachung.
Das Wasser kommt ja bekanntlich von oben, nicht von unten.« Er grinste. Sie
auch.
    »Glück muss der Mensch haben«, sagte sie.
    Außentermine waren das A und O ihres Berufes. Ihr Beruf
war hart. Die Toten mehrten sich. Der Mann, der Frau und Kind erschossen hatte.
Der Junkie im Schweinecontainer. Das Mädchen auf der Autobahn.
     
    Ben hatte Marie am Straßenrand gesehen, geile Titten, ein
Wahnsinnsgestell. Er war vorübergerauscht mit hundert Sachen, die Landstraße
floss.
     
    Sie hatten eine Plane über sie gelegt. So war sie
geschützt vor dem Regen und den neugierigen Blicken der Autofahrer, die langsam
an der Unfallstelle vorbeigeschleust wurden.
    Sie war jung, so jung, wie keiner sterben sollte, und sie
hatte diese Zartheit an sich, die den Toten anhaftete, wenn sie sich noch
zwischen den Welten befanden, zwischen den Himmeln, nicht mehr hier, aber auch
noch nicht dort, irgendwo dazwischen eben, um ihr, Franza, etwas zu sagen, was
sie wissen musste, damit sie sie vertreten konnte, hier, denn das musste sie
ja, wer sonst sollte es noch tun. In zwei Tagen schon würde Marie sich
verwandelt haben, würde alles abgefallen sein, was sie hier noch hielt, würde
sie klar und gerade sein wie nie und tatsächlich gegangen. Dann, wusste Franza,
sollte ihr Wissen sich übertragen haben auf sie, zumindest ein Ahnen.
    Herz verstand das nicht, hielt das für eine Verrücktheit.
Aber immer ließ er

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