Das Regenwaldkomplott
aber nicht rot.«
»Das werden wir gleich sehen. Wir fahren hinüber in das Indio-Dorf, Pater.« Der gelackte Kopf fuhr ruckartig vor, so wie ein Geier auf seine Beute hackt. »Ich werde die Kerle zum Sprechen bringen. Das können Sie glauben wie ein Bibelwort!«
Bilac drehte sich auf den Absätzen um und verließ mit schnellen Schritten die Station. Die Polizisten folgten ihm sofort, und auch Vincence wollte das Zimmer verlassen. Ernesto hielt ihn am Hemdärmel zurück.
»Was machen wir jetzt?« fragte er beklommen.
»Ich weiß es nicht.«
»Wenn er die Indios schlägt oder gar foltern läßt, werde ich es in die Welt hinausschreien.«
»Und wie wird die Welt darauf reagieren? Gar nicht, oder nur eine kleine Meldung auf der letzten Zeitungsseite. Und es wird nicht heißen: ›Polizei foltert Indianer‹, sondern ›Indios ermordeten einen Großgrundbesitzer‹. Und die Welt wird sagen: Da haben wir sie, die blutrünstigen Indios. Man sollte sie alle einsperren. Ernesto, was hast du nicht alles erlebt in deinen sechzig Jahren? Und du glaubst immer noch an das Gewissen der Menschen?«
»Wenn ich daran zweifeln würde, zöge ich meinen Priesterrock aus.«
Sie verließen die Polizeistation und sahen, wie Bilac, Ribateio, die Sergentos und noch zwei Polizisten mit drei Jeeps zu dem Uferweg fuhren, der zu den Malocas der Yanomami führte.
»Wir müssen dabeisein!« rief Vincence und lief zu dem alten, klapprigen Wagen, der im Schatten des Missionsgebäudes parkte. Ernesto folgte ihm, aber er ging noch einmal in das Haus zurück.
»Was hast du noch geholt, Ernesto?« fragte Vincence, der mit laufendem Motor gewartet hatte. Ernesto klopfte auf seine rechte Hosentasche. Sein zerfurchtes Gesicht war wie aus Felsgestein.
»Meine Pistole.«
»Ein Wahnsinn! Du bist Priester und kein Westernheld. Willst du Bilac mit der Pistole drohen? Sie sperren dich in Boa Vista in das elendeste Loch, ob du Pater bist oder nicht, da fragt keiner nach. Ernesto, du bist jetzt zweiundzwanzig Jahre auf Santo Antônio, die Mission ist dein Leben! Wenn du Bilac angreifst, wird man die Mission sofort schließen. Dann waren zweiundzwanzig Jahre umsonst.«
Pater Ernesto nickte. Er schob die Pistole in das Handschuhfach des Wagens und knallte die Klappe zu. Mit aufheulendem Motor folgte Vincence den drei Polizeijeeps und holte sie ein, als sie kurz vor den Malocas der Yanomami langsamer fuhren.
Zwischen den Stauden der Mehlbananen arbeiteten einige Männer, lockerten den Boden mit Stahlharken, die sie von der Mission bekommen hatten, und starrten hinüber zu der Autokolonne, die langsam in das Shabono einfuhr. Der Wagen von Coronel Bilac bremste mitten auf dem weiten Platz, den das Halbrund der Malocas bildete. Die anderen Jeeps stellten sich daneben. Als die Polizisten ausstiegen, sahen Vincence und Ernesto, daß sie Maschinenpistolen in den Händen trugen.
»Wenn Bilac schießen läßt«, knirschte Ernesto, »vergesse ich, daß ich ein Priester bin und streiche das Fünfte Gebot aus meinem Kopf.«
»Er wird nicht schießen lassen«, sagte Vincence ruhig. »Wir werden immer zwischen ihren Gewehren und den Indios stehen. Sie müßten uns zuerst töten.«
Coronel Bilac sprang aus seinem Jeep und wartete, bis die Patres zu ihm kamen. In den zum Platz hin offenen Hütten arbeiteten die Frauen. Sie stampften Maniok zu Mehl, spannen Baumwolle zu einem dicken Garn, flochten Körbe, säugten die Kinder. Sie spalteten Lianen, flochten Palmblätter zusammen, bedienten die Feuer mit kleinen Holzscheiten, höhlten Kalebassen aus und einige schnitten den heranwachsenden Kindern die Haare, wozu sie ein scharfkantiges Bambusstück benutzten, oder sie kämmten sich mit einer stachligen Fruchtschale. Die kleineren Kinder spielten miteinander, ärgerten drei quietschende Ferkel, die über den Platz flüchteten, direkt auf Bilac zu, dann aber kurz vor ihm abbogen und zurück zu den Malocas rannten. Eine Gruppe nackter Männer hockte im Kreis unter dem hohen Dach des Männerhauses, das keine Frau betreten durfte, und bemalte sich gegenseitig den Körper mit großen, dunkelblauen, schwarzen und roten Kreisen und Ornamenten, die aussahen, als rankten sich Lianen um den Oberkörper. Offensichtlich erwarteten sie Gäste eines anderen Stammes, die sie mit einem wilden Freundschaftstanz begrüßen wollten.
Hier im Männerhaus befanden sich auch das Feuer und die Hängematte des Medizinmannes. Die Rückwand des Hauses war reich geschmückt mit bemalten,
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