Das Regenwaldkomplott
dabei. »Sie haben Senhor Ramos erschossen. Ihre verdammten Indios haben –«
Vincence schnitt mit einer energischen Handbewegung den Satz ab. Er ging an dem Tenente vorbei und warf einen kurzen Blick auf den Toten. Dann hob er den Arm und schlug das Kreuz über Ramos. Man konnte über Ramos denken, was man wollte, man konnte ihn einen Menschenschlächter nennen, einen Satan in Menschengestalt – der Tod löscht alles aus. Und Ramos war ein Christ gewesen, sogar ein guter. In Manaus saß er in der ersten Bank in der Kirche, und in Santo Antônio kniete er ebenfalls ganz vorn, wenn Vincence oder Ernesto die Messe lasen.
Nun war auch Pater Ernesto herangekommen. Er war nicht so betroffen wie Vincence, er kannte Ramos länger, über Jahre hinweg, seit 1978, als Ramos ein Gebiet von über 100.000 Quadratkilometern Regenwald vom Staat kaufte und begann, 240.000 Hektar zu roden und niederzubrennen. Die Aluminiumhütte Progresso, was ›Fortschritt‹ heißt, gehörte ihm genauso wie die hundert Claims und schätzungsweise 6.000 Garimpeiros. Es konnten auch 10.000 sein. Wer machte sich die Mühe, sie zu zählen? Sie wühlten sich für ihn in den Goldboden und lieferten ihren Goldstaub ab. Eine Kompanie von Aufsehern kontrollierte sie; Betrügereien gab es nicht, kein heimliches Zur-Seite-Schaffen für den eigenen Lederbeutel. Viermal hatte es jemand versucht, und viermal fand man ihre Leiche im Dschungel. So etwas spricht sich rum.
»Ihre Indios!« schrie Ribateio wieder. »Der rote Pfeil!«
»Bringen wir Senhor Ramos erst einmal ins Haus«, schlug Pater Ernesto in seiner unerschütterlichen Art vor. »Kein voreiliges Urteil, Tenente.«
»Wer schießt denn hier mit Pfeilen?! Ein Weißer bestimmt nicht! Der benutzt eine Pistole.«
Sie packten alle an, hoben Ramos aus dem Wagen und trugen ihn in die Polizeistation. Sie legten ihn auf einen Tisch, und Sergento Moaco war so pietätvoll, sein schmutziges Taschentuch über das Gesicht zu legen. Pater Ernesto lehnte sich an die Wand und verschränkte die Arme vor seiner Brust.
»Ich gebe die Meldung gleich nach Boa Vista durch«, sagte Ribateio und mußte mehrmals schlucken. »Das ist ein Fall, um den sich die Regierung selbst kümmern wird. Dann werdet ihr sehen, was man mit euren ach so lieben Indios macht!«
Ramos' Tod wurde wirklich eine Sensation. Von Manaus kommend, landete drei Stunden später der Polizeichef der Region, Coronel Miguel Bilac, auf dem kleinen Flugplatz von Santo Antônio. Ein mittelgroßer, etwas dicklicher Mann mit kalten Augen und einer knorrigen Sprache, dessen schwarze, wie Lack glänzende Haare eng am Kopf anlagen.
Bilac hielt sich nicht mit Kleinigkeiten auf. Nachdem er den Toten angesehen und um ihn herumgegangen war und dabei immer den roten Pfeil in der Brust angestarrt hatte, sagte er mit hörbarer Erschütterung:
»Ribateio, ziehen Sie den Pfeil heraus. Haben Sie schon ein Foto von dem Toten gemacht?«
»Von allen Seiten, Senhor Coronel.«
»Bericht.«
Die Sergentos Moaco und Perinha erzählten in strammer Haltung, wie sie Ramos gefunden hatten. Moaco erwähnte auch den taunassen Ranch Rover, was bewies, daß Ramos schon gestern erschossen worden sein mußte. Auf jeden Fall hatte der Wagen die ganze Nacht über neben der Straße gestanden.
»Wann ist Senhor Ramos von Ihnen weggefahren?« fragte Bilac und sah dabei Pater Vincence mit einem bösen Blick an.
»Gestern vormittag, so gegen zehn Uhr.«
»Und es ist Ihnen nicht aufgefallen, daß er am Abend nicht wieder zurückgekommen ist? Man wird doch unruhig, wenn ein Gast bei Einbruch der Dunkelheit noch nicht zu Hause ist. Und gerade hier –«
»Nein.« Pater Ernesto hielt dem wütenden Blick des Obersten stand. »Senhor Ramos blieb oft, wenn er seine Claims besichtigte, über Nacht in den Camps. Er wohnte dann in der Baracke von Benjamim Bento, dem Oberaufseher im Goldgräberdorf. Manchmal bleib er drei Tage lang weg. Warum sollten wir uns Gedanken machen?«
Coronel Bilac nahm den Pfeil entgegen, den Ribateio mit Übelkeit im Magen aus Ramos' Brust gezogen hatte. Er mußte kräftig ziehen und riß dabei eine große Wunde. Die Spitze des Pfeils war mit drei Widerhaken versehen, die beim Herausziehen das Fleisch zerfetzten. Bilac hielt den Pfeil Pater Vincence unter die Nase.
»Das ist ein Yanomami-Pfeil!« sagte er kalt. »Wir alle wissen, daß die Yanomami mit solchen Waffen jagen und Stammeskriege führen. Ihre Speere sind genauso konstruiert.«
»Sie färben ihre Pfeile
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