Das Regenwaldkomplott
zugespitzten dünnen Baumstämmen, großen Flechtkörben, Tontöpfen, Kalebassen mit Ritzzeichnungen und Speeren mit langen Federn an den Spitzen, geschnitzt aus hartem Palmholz und mit einer messerscharfen Bambusspitze versehen, sowie langen Blasrohren aus Bambusstengeln.
Der Coronel nickte kurz, als sei er zufrieden mit dem, was er sah, dann ging er mit forschen Schritten von seinem Jeep hinüber zu der Männergruppe. Sie rührte sich nicht, niemand sah den fremden Weißen neugierig entgegen; sie bemalten sich weiter, schwatzten dabei und lachten, als gäbe es gar keinen weißen Besuch.
Bilac blieb zwei Meter vor ihnen stehen. Er stand schon unter dem Dach des Männerhauses. Kein Indio wagte es, die große Hütte mit dem hohen Dach aus Palmstroh ohne Einladung zu betreten. Es wäre eine Beleidigung gewesen, die sofort einen Stammeskrieg ausgelöst hätte.
Der Coronel drehte sich zu den beiden Patres um, die Polizisten bildeten einen Halbkreis. Ihre MPs lagen schußbereit in den Händen.
»Ich nehme an, einer von Ihnen beherrscht den Yanomami-Dialekt des Parimagebietes«, sagte Bilac mit knarrender Stimme. »Ich brauche einen Dolmetscher.«
»Das bin ich, Senhor Coronel.« Pater Ernesto kam an seine Seite. »Ich lebe seit zweiundzwanzig Jahren unter meinen Freunden.«
Bilac verzog die Lippen, als er das Wort ›Freund‹ hörte. Eine Reihe von Tabak gelblich verfärbter Zähne wurde sichtbar: ein Grinsen, dessen Gefährlichkeit Ernesto sofort begriff. Ein kurzer, aber stahlharter Blick traf den Pater. Vor diesem Blick hatten schon viele gezittert, denen Bilac seine Aufmerksamkeit zugewandt hatte. Und für die meisten hatte sich das Leben dann grundlegend geändert.
»Dann fangen wir an, Pater«, befahl Bilac. »Sagen Sie den Affen, sie sollen mit ihrer dämlichen Malerei aufhören und mir zuhören.«
»Er wird euch etwas fragen«, übersetzte Ernesto. »Gebt keine Antwort auf seine Fragen. Nickt oder schüttelt den Kopf. Ich weiß nicht, ob ihr etwas wißt. Wenn jemand etwas zu sagen hat, kann er es zu mir allein sagen.«
»Das war aber eine lange Rede«, knurrte Bilac, als Ernesto schwieg. Mißtrauen lag in seinen Augen.
»Yanomami ist eine komplizierte Sprache, Senhor Coronel. Für viele Dinge haben sie überhaupt keine Worte, dann muß man in Bildern sprechen, zum Beispiel haben sie kein Wort für Arbeit.«
»Das glaub ich Ihnen sofort!« Bilac lachte kurz auf. »Eine faule Bande. Wie übersetzen Sie Arbeit?«
»Ich würde ›hacken‹ sagen. Hacken verstehen sie. Daraus besteht ihr halbes Leben. Alles wird hier gehackt, die Felder, das Holz, die Maniokwurzeln, die Bananenstauden, die Lianen, der Bast –«
»Dann fragen Sie mal die Kerle, ob einer weiß, wer Senhor Ramos getötet hat.«
Ernesto übersetzte es wörtlich. Die Antwort war ein allgemeines Kopfschütteln. Dabei unterbrachen sie nicht ihre Tätigkeit, sondern bemalten sich weiter.
»Ich schenke dem, der den Mörder kennt, eine Machete und eine Axt.« Bilac wippte auf den Zehen auf und nieder. »Und drei große Aluminiumtöpfe«, fügte er hinzu.
Die Antwort war wieder ein Kopfschütteln.
Bilac betrachtete die Männerrunde mit zusammengekniffenen Augen. Sein Blick fiel auf einen stämmigen, muskulösen Indio, dem sein Nebenmann gerade eine Art Schlange auf die Brust malte. Als Pinsel benutzte er dazu ein zusammengeknülltes Baumwollbündel.
»Ihr habt rote Pfeile!« schrie Bilac sie an. Ribateio, der hinter ihm stand, zog die Schultern hoch. Wenn Bilac schrie, half nur, den Kopf einzuziehen. Gefährlich aber wurde es, wenn der Coronel ganz leise sprach, die Worte durch seine zusammengekniffenen Lippen fast zischte.
Kopf schütteln. Bilac nickte mehrmals.
»Also gut. Pater, übersetzen Sie: Ich lasse das ganze Dorf niederbrennen, wenn niemand redet!«
Und Pater Ernesto übersetzte: »Bleibt ganz ruhig, habt keine Angst, euch wird nichts geschehen.« Und zu Bilac gewandt, sagte er: »Das können Sie nicht tun, Senhor Coronel.«
»Sie ahnen gar nicht, was ich alles kann!« bellte Bilac zurück. »Ich kann die Kerle aufhängen lassen, und keiner kümmert sich darum. Und wenn es einen Bericht gibt, dann kommt er automatisch zu mir, und ich zerreiße ihn. So einfach ist das. Und das sage ich Ihnen jetzt in aller Klarheit: Wenn diese Mistkerle weiter schweigen, werde ich sie wie Ungeziefer behandeln und ausrotten. Ich bin mir sicher, daß sie wissen, wer Senhor Ramos erschossen hat. Fragen Sie noch einmal, Pater. Ich bin kein geduldiger
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