Das Reich der Katzen (German Edition)
Stimme klang höhnisch.
»Das sind noch zwei Tagesmärsche.«
»Waas?« Onisha glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Die Berge
waren zwar nicht gerade zum Greifen nah, aber dennoch hätte sie nicht gedacht,
dass sie zwei Tage benötigten, um sie zu erreichen.
Fleur ging nicht weiter darauf ein. Sie stieß ein verärgertes
Zischen aus und steuerte ein Erdloch an, das Onisha, wenn sie allein gewesen
wäre, niemals wahrgenommen hätte. »Ein verlassener Fuchsbau«, murmelte Fleur
zufrieden. Sie warf Onisha einen übermütigen Blick zu und rief: »Folgen Sie
mir, Hochwohlgeborene!«
Onisha schluckte die heftige Erwiderung, die ihr auf der Zunge
lag, hinunter und kroch hinter Fleur in das Fuchsloch. Gerade zur rechten Zeit.
Sie hatte kaum die Schwanzspitze eingezogen, als ein heftiger Sturm entbrannte.
Eine eisige Windböe fegte die Erde vor dem Fuchsloch auf und blies einige
Brocken in den Bau.
»Puh, das war aber knapp«, freute sich Fleur. »Das Glück ist auf
unserer Seite. Hoffentlich bleibt es noch ein Weilchen so. Wir könnten es
brauchen.«
Die nächsten Stunden sprachen sie nicht miteinander, sondern
starrten nur stumm vor sich hin. Das heftige Unwetter schien kein Ende zu
nehmen. Sintflutartige Regenschauer prasselten auf die Erde herab, lauter
Donner grollte. Als es wieder ruhig über ihnen wurde, legten sie sich eine
Weile schlafen, um wieder Kräfte für den anstrengenden Weg zu den Bergen zu
sammeln. Onisha verschwieg Fleur wohlweislich, dass sie der Traum erneut
heimgesucht hatte. Und dieses Mal hatte die Katzengöttin ihr Gesicht deutlich
gezeigt.
Es WAR Fleurs Gesicht.
Daran gab es keinen Zweifel mehr. Aber was hatte das alles zu
bedeuten? Fleur war eine Streunerin; eine ungehobelte Wilde ohne Manieren und
längst keine Göttin. Schon gar nicht mit einem Frauenkörper.
Fleur deutete Onishas Schweigen falsch. »Tun dir schon wieder die
Pfoten weh?«, fragte sie ironisch.
»Nein, aber ich habe Hunger und Durst«, hielt ihr Onisha ruhig
entgegen.
»Ich auch!« Fleur blickte sich um. »Aber wir müssen erst einmal
weitergehen. Denk einfach an etwas anderes«, schloss sie.
Damit hatte Onisha keine Schwierigkeiten. Sofort drängte sich ihr
wieder der Traum auf. Die Katzengöttin hatte sie vor einer mächtigen Gegnerin
gewarnt. Vor Lavina, einer magischen Großkatze, die die Macht besaß, die
Gestalt zu wechseln.
»Sie wird euch mit allen Mitteln davon abhalten, in das Reich der
Katzen zu gelangen«, hatte Bastet gesagt. »Seid also auf der Hut!«
Der Gedanke daran ließ Onisha den Hunger vergessen und sie
beschleunigte ihren Schritt.
»Warum rennst du denn auf einmal so?«, keuchte Fleur neben ihr.
»Du hast ja plötzlich einen Affenzahn drauf. So, als wäre der Teufel hinter dir
her.«
Du liegst gar nicht so sehr daneben, dachte Onisha und schenkte
Fleur einen flüchtigen Seitenblick. »Ich bin froh, wenn wir endlich diese
verdammten Berge erreicht haben«, sagte sie ausweichend. »Die Berge und das
Schwarze Kloster.«
Fleur stellte die großen Ohren auf. »Hörte ich da gerade verdammte
Berge? Und das aus deinem vornehmen Mund? Oder war das jemand anderer?«
»Es war niemand anderer!«, knurrte Onisha. Sie war nicht gerade
begeistert über den verbalen Ausrutscher. Das war sonst nicht ihre Art. Begann
sie bereits ihre guten Manieren zu verlieren? Sie achtete nicht auf den Weg und
trat in ein Erdloch. Knickte mit der Pfote um und knallte mit voller Wucht auf
ihre empfindliche Nase. Einige Sekunden blieb sie liegen und rappelte sich dann
mit leisem Jammern wieder hoch.
Fleur trippelte vor ihr hin und her. »Da hast du ja einen schönen
Sturz hingelegt«, meinte sie.
»Ja, ja, mach dich nur über mich lustig«, beschwerte sich Onisha.
»Hör lieber auf zu kichern und lass uns weitergehen.«
Als sich der zweite Tag dem Ende zuneigte, erreichten sie die Berge,
die mit ihren schroffen Spitzen mehr als gespenstisch aussahen. Breite
Schluchten mit verwinkelten Gängen führten durch die Steingiganten. Eine
eigene, mystische Welt wartete auf sie. Onisha fühlte jene erregende Furcht in
sich, die vorantrieb. Die nicht hemmte, sondern ungeahnte Kräfte freisetzte Und
Fleur schien es ebenso zu gehen. Sie blickte Onisha an und in ihren blauen
Augen war ein aufgeregtes Funkeln. Es war erstaunlich, wie ähnlich sie schon
empfanden, obwohl sie sich noch nicht lange kannten und so gar nichts gemein zu
haben schienen.
Sie begannen die erste Schlucht zu durchqueren. Plötzlich blieb
Fleur vor einem schmalen
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