Das Reich der Sieben Städte
anzugreifen ist nicht so unmöglich, wie du glaubst. Der einzelne Angreifer ist auf sich allein gestellt, niemand macht den ersten Schritt für ihn. Acht oder zehn Mann ... nun, die denken, sie sollten sich alle auf mich stürzen und mich niedermachen. Nur – wer geht als Erster? Also zögern alle, warten darauf, dass ich mir eine Blöße gebe. Meine Aufgabe ist es, in Bewegung zu bleiben, dafür zu sorgen, dass jede Blöße schon wieder geschlossen ist, ehe sie reagieren können. Wohlgemerkt, ein Trupp von Veteranen weiß, wie man zusammenarbeitet...«
»Dann hattest du Glück, dass sie es nicht gewusst haben.«
»Ich hatte Glück.«
Kesen, der ältere der beiden Jungen, meldete sich zu Wort. »Könnt Ihr mir beibringen, so zu kämpfen, Herr?«
Kalam grunzte. »Ich nehme an, dein Vater hat sich ein besseres Leben für dich vorgestellt, mein Junge. Kämpfen ist nur etwas für Leute, die in allen anderen Bereichen gescheitert sind.«
»Aber Kämpfer sind nicht unbedingt Soldaten«, sagte Keneb.
»Das ist richtig«, stimmte der Assassine zu, der spürte, dass er irgendwie den Stolz des Hauptmanns verletzt hatte. »Soldaten verdienen Respekt, und es stimmt, dass es manchmal notwendig ist, zu kämpfen. Soldat zu sein bedeutet, fest zu stehen, wenn diese Zeit kommt. Wenn du immer noch lernen willst, wie man kämpft, mein Junge, dann lerne zuerst, ein Soldat zu sein.«
»Mit andern Worten: Hör auf deinen Vater«, sagte Minala und schenkte Kalam ein kurzes gequältes Lächeln.
Schließlich – auf Grund einer Geste oder eines Blicks, den der Assassine nicht mitbekommen hatte – erhob sich Selv und ging mit den Jungen davon, um das Lager vollends abzubrechen. Sobald sie außer Hörweite waren, sagte Keneb: »Aren ist... wie weit entfernt? Drei Monate? Beim Atem des Vermummten, es muss doch irgendwo eine von den Malazanern gehaltene Stadt oder eine Festung geben, die ein bisschen näher liegt, Korporal.«
»Ich habe immer nur schlechte Neuigkeiten gehört«, sagte Kalam. »Im Süden von hier liegt das Land der Stammeskrieger; es erstreckt sich bis zum Vathar. Ubaryd liegt nicht weit vom Vathar entfernt, aber ich vermute, dass die Stadt mittlerweile von Sha'iks Apokalypse eingenommen wurde – sie ist als Hafen einfach zu wichtig, um sie sich nicht zu sichern. Zweitens nehme ich an, dass die meisten Stämme zwischen hier und Aren ihre Gebiete verlassen und sich Kamist Reloe angeschlossen haben.«
Keneb machte ein überraschtes Gesicht. »Reloe?«
Kalam runzelte die Stirn. »Die Banditen haben davon gesprochen, dass er sich südöstlich von hier befinden soll...«
»Eher östlich als südlich. Reloe jagt Faust Coltaine und die Siebte Armee. Er hat sie wahrscheinlich inzwischen schon ausgelöscht, doch wie auch immer – seine Streitkräfte sind östlich des Sekala, in jenem Gebiet, das er im Auftrag Sha'iks halten soll.«
»Ihr wisst sehr viel mehr von diesen Dingen als ich«, meinte der Assassine.
»Wir hatten Tithandi-Bedienstete«, sagte Minala. »Sie waren loyal.«
»Sie haben mit ihrem Leben dafür bezahlt«, fügte der Hauptmann hinzu.
»Dann befindet sich südlich von hier eine Armee der Apokalypse? «
Keneb nickte. »Ja. Und sie bereitet sich darauf vor, nach Aren zu marschieren.«
Der Assassine runzelte die Stirn. »Sagt mir eins, Hauptmann ... habt Ihr jemals den Begriff ›Jhistal‹ gehört?«
»Nein ... nicht im Reich der Sieben Städte. Warum?«
»Die Banditen haben davon gesprochen, dass sich ›ein Jhistal in Aren‹ befinden soll. Als wäre es ein rasierter Knöchel.« Er schwieg einen Moment, seufzte dann. »Wer kommandiert diese Armee?«
»Korbolo Dom, dieser verdammte Bastard.«
Kalam kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Aber Dom ist eine Faust ...«
»Das war er, bis er eine Einheimische geheiratet hat, die zufällig die Tochter des letzten Heiligen Beschützers von Halaf war. Er wurde zum Abtrünnigen und musste die Hälfte seiner Soldaten hinrichten, weil sie sich weigerten, ihm weiterhin zu folgen. Die andere Hälfte hat die Uniform des Imperiums abgelegt, sich zu einer Söldner-Kompanie erklärt und ist in Korbolo Doms Dienste getreten. Diese Kompanie hat uns in Orbal angegriffen. Sie nennen sich die Wirbelwind-Legion oder so ähnlich.« Keneb stand auf und trat die letzten noch glimmenden Reste des Lagerfeuers aus. »Sie kamen wie Verbündete in die Stadt geritten. Wir hatten nicht den leisesten Verdacht.«
Das war noch nicht die ganze Geschichte, wie der
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