Das Reich der Sieben Städte
heben.
Der T'lan Imass, der ihm gegenüberstand, trat in einer einzigen Bewegung, die so schnell war, dass menschliche Augen ihr nicht zu folgen vermochten, wieder an den Soldaten heran, ein Arm schoss vor, eine Hand legte sich um Stürmischs Hals.
Fluchend schob sich Gesler an Felisin vorbei; er hatte die Hand auf den Schwertgriff an seiner Seite gelegt. Der Korporal wurde langsamer, als deutlich wurde, dass der T'lan Imass Stürmisch nur festhielt.
Der Soldat verharrte jetzt vollkommen reglos. Leise Worte wurden zwischen ihnen ausgetauscht. Dann ließ der untote Krieger Stürmisch los und trat zurück. Die Wut des Soldaten war verraucht. Etwas an der Art, wie er die Schultern hängen ließ, erinnerte Felisin an Heboric.
»Knochenwerferin!«, schrie Kulp.
Alle fünf T'lan Imass hatten begonnen, sich aufzulösen.
»Wartet!«, rief der Magier und stürzte vor. »Im Namen des Vermummten – wie kommen wir hier weg?«
Es war zu spät. Die Kreaturen waren verschwunden.
Gesler fuhr auf Stürmisch los. »Was hat dieser Bastard dir erzählt?«, wollte er wissen.
Als der Soldat sich zu seinem Korporal umdrehte, stellte Felisin schockiert fest, dass seine Augen feucht waren.
»Stürmisch ...«, flüsterte Gesler.
»Er hat gesagt, dass es mit großen Schmerzen verbunden ist«, murmelte der Veteran. »Ich habe gefragt: Wie lange? Und er hat gesagt: Für immer. Die Wunde heilt um ihn herum, versteht ihr? Sie konnte das nicht befehlen, versteht ihr? Nicht so etwas. Er hat sich freiwillig gemeldet...« Dem Soldaten versagte die Stimme. Er wirbelte herum und stapfte über das Hauptdeck davon.
»Er war ohne Clan«, sagte Heboric; er war noch immer auf dem Vorderdeck. »Also so gut wie nutzlos. Ein Dasein ohne Bedeutung ...«
Gesler kickte einen der abgeschlagenen Köpfe übers Deck. Das Geräusch, mit dem er über die Planken hüpfte, hallte laut durch die stille Luft. »Wer will jetzt immer noch ewig leben ?«, knurrte er und spuckte aus.
Wahr meldete sich zu Wort. Seine Stimme zitterte. »Hat es denn sonst niemand gesehen?«, fragte er. »Die Knochenwerferin hat es nicht gesehen, da bin ich mir ganz sicher ...«
»Was redest du da, Junge?«, wollte Gesler wissen.
»Dieser T'lan Imass. Er hat ihn sich an den Gürtel gebunden. Mit den Haaren. Unter seinem Bärenfell versteckt.«
»Was denn?«
»Er hat einen der Köpfe mitgenommen. Hat es denn sonst niemand gesehen?«
Heboric reagierte als Erster. Mit einem wilden Grinsen sprang er aufs Hauptdeck, marschierte auf die Heckkabinen zu. Noch während er sich durch die Tür schob, kletterte Kulp zum Ruder-Deck hinunter. Er verschwand aus dem Blickfeld.
Minuten vergingen.
Gesler ging stirnrunzelnd zu Stürmisch hinüber.
Kulp tauchte wieder auf. »Einer von denen ist so tot wie ein Holzpflock«, sagte er.
Felisin dachte kurz daran, ihn zu fragen, was das alles zu bedeuten hatte, doch eine Woge der Erschöpfung schwemmte den Gedanken davon. Sie schaute sich um, bis sie Baudin erblickte. Er stand am Bug, hatte allem – und allen – den Rücken zugekehrt. Sie wunderte sich über seine Gleichgültigkeit.
»Das ist wohl alles zu viel für dich, was, Baudin?«, fragte sie, während sie sich neben ihm an die Reling lehnte.
»T'lan Imass haben schon immer nichts als Ärger bedeutet«, sagte er. »Alles, was sie getan haben, hatte zwei Seiten, oder vielleicht auch mehr als zwei. Vielleicht Hunderte.«
»Ein Schläger mit einer Meinung!«
»Du dagegen meißelst alle deine Gedanken in Stein, Schätzchen. Kein Wunder, dass dich die Menschen immer wieder überraschen.«
»Überraschen? Mich kann nichts mehr überraschen, Schläger. Wir stecken irgendwo drin, wir alle. Es wird noch mehr geschehen, also brauchen wir auch nicht über einen Weg nachzudenken, wie wir hier wegkommen. Es gibt keinen.«
Er grunzte. »Zur Abwechslung mal weise Worte.«
»Werde mir gegenüber bloß nicht schwach«, sagte Felisin. »Ich bin einfach nur zu erschöpft, um grausam zu sein. Lass mich ein paar Stunden schlafen, und ich bin wieder ganz die Alte.«
»Und überlegst dir, wie du mich umbringen könntest, willst du wohl sagen.«
»Es erheitert mich.«
Er schwieg einen langen Augenblick, den Blick auf den bedeutungslosen Horizont voraus gerichtet, dann drehte er sich zu ihr um. »Ist dir schon einmal der Gedanke gekommen, dass es an dir selbst liegen könnte, dass du dort gefangen bist, wo du dich gefangen wähnst?«
Sie blinzelte. In seinen kleinen, animalischen Augen war der Hauch eines
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