Das Reich der Sieben Städte
boshaften Urteils. »Ich kann dir nicht recht folgen, Baudin.«
Er lächelte. »Oh, doch, Schätzchen, das kannst du.«
Kapitel Zehn
Es ist eine Sache, mit gutem Beispiel voranzugehen,
wenn dir ein halbes Dutzend Soldaten folgt. Wenn es
zehntausend sind, ist es etwas ganz anderes.
Das Leben Dassem Ultors
Duiker
E s war nun eine Woche her, seit Duiker auf die Spur gestoßen war, die die Flüchtlinge aus Caron Tepasi zurückgelassen hatten. Sie waren ganz offensichtlich Richtung Süden getrieben worden, um Coltaines dahinstolpernde Stadt noch weiter anschwellen zu lassen; zumindest nahm der Historiker das an. Es gab nichts anderes in diesem verwüsteten Land. Die Trockenzeit hatte begonnen, und die Sonne brannte von einem wolkenlosen Himmel auf die Gräser herab, bis sie so spröde aussahen wie Drähte und sich auch so anfühlten.
Tag um Tag war vergangen, und noch immer hatte Duiker die Faust und den Flüchtlingstreck nicht einholen können. Die wenigen Male, da er in Sichtweite der gewaltigen Staubwolke gekommen war, hatten Reloes Tithansi – Vorreiter den Historiker daran gehindert, noch näher heranzukommen.
Irgendwie schaffte es Coltaine, seine Leute unaufhörlich in Bewegung zu halten und immer weiter auf den Sekala zuzumarschieren. Und was macht er, wenn er dort angekommen ist? Wird er mit der alten Furt im Kücken eine Verteidigungsstellung aufbauen?
So ritt Duiker dem Treck hinterher. Das, was die Flüchtlinge zurückließen, wurde weniger, doch es wurde zugleich auch ergreifender. Kleine Gräber säumten die aufgegebenen Lagerstellen, und die Knochen von Pferden und Vieh lagen herum; genau wie die häufig reparierte Achse eines Wagens, die letztlich doch aufgegeben worden war, wobei der Rest des Wagens auseinander genommen und die Einzelteile mitgenommen worden waren. Die von Fliegenschwärmen umschwirrten Abtritt-Gräben stanken erbärmlich.
Eine andere Geschichte erzählten die Orte, an denen es zu kleineren Scharmützeln gekommen war. Zwischen den nackten, zurückgelassenen Leichen der Tithansi-Stammeskrieger lagen zerschmetterte wickanische Lanzen ohne Spitzen. Man hatte die Leichen der Tithansi all dessen beraubt, was vielleicht noch einmal benutzt werden konnte: Ledergurte und -riemen, Hosen und Gürtel, Waffen, sogar der Zöpfe. Tote Pferde wurden als Ganzes fortgeschleift, sodass nichts weiter als ein Stück blutverschmierter Grasnarbe übrig blieb.
Duiker hatte den Punkt, an dem ihn das, was er sah, noch hätte in Erstaunen versetzen können, längst überschritten. Wie die Tithansi-Stammeskrieger, mit denen er gelegentlich ein paar Worte wechselte, hatte auch er angefangen zu glauben, dass Coltaine kein Mensch, sondern irgendetwas anderes war, dass er seine Soldaten und die Flüchtlinge in unbeugsame Werkzeuge des Unmöglichen verwandelt hatte. Trotzdem gab es keine Hoffnung auf einen Sieg. Kamist Reloes Apokalypse bestand aus den Armeen vier großer und eines Dutzends kleinerer Städte, aus unzähligen Stämmen und einer Horde von Bauern, die so groß war wie ein Binnenmeer. Und sie rückte immer näher heran, im Augenblick damit zufrieden, Coltaine zum Sekala zu eskortieren. Es lief alles auf eines hinaus: Eine Schlacht stand bevor. Die Vernichtung.
Duiker ritt während des Tages, durstig, hungrig, vom heißen Wind ausgetrocknet, die Kleider nur noch Fetzen. Ein Versprengter aus der Armee der Bauern, ein alter Mann, der fest entschlossen war, am letzten Gefecht teilzunehmen. Die Tithansi-Reiter, die ihn sahen, wussten, wer er war, und schenkten ihm – abgesehen von einem Winken aus der Ferne – keine weitere Beachtung. Alle zwei, drei Tage gesellte sich eine Gruppe zu ihm, gab ihm etwas zu essen, zu trinken und Futter für das Pferd. In gewisser Weise war er für sie zu einer Art Ikone geworden; seine Reise hatte etwas Symbolisches bekommen, war mit ungebetener Bedeutung aufgeladen worden. Der Historiker hatte deswegen Schuldgefühle, doch er nahm die Geschenke mit aufrichtiger Dankbarkeit entgegen – schließlich sorgten sie dafür, dass er und sein Pferd am Leben blieben.
Dennoch wurde sein treues Reittier schwächer. Von Tag zu Tag wurden die Zeitabschnitte länger, in denen Duiker abstieg und es am Zügel führte.
Die Abenddämmerung brach herein. Die in einiger Entfernung zu erkennende Staubwolke zog immer noch weiter, und schließlich war sich Duiker sicher, dass Coltaines Vorhut den Fluss erreicht hatte. Die Faust würde darauf bestehen, dass der gesamte
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