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Das Reich der Sieben Städte

Das Reich der Sieben Städte

Titel: Das Reich der Sieben Städte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Historiker. Vettern, Brüder, Onkel...«
    Duiker hatte das Gefühl, dass bei Nils Worten etwas in seinem Innern zerbrach. Aus einem verzweifelten Bedürfnis heraus hatte er gehofft, nein, hatte er sich gewünscht, dass die Mörder andere wären ... Jaghut, Forkrul Assail, K'Chain Che'Malle ... irgendwelche anderen. »Nein«, sagte er tonlos.
    Nils Augen waren jung und doch alt, und ihr Blick ließ den Historiker nicht los, als der Waerloga nickte. »Verwandte. So etwas ist auch anderswo geschehen. Auch bei den Wickanern. Vor einer Generation. Es hat sich alles wiederholt.«
    »Aber jetzt geschieht es nicht mehr.« Oh, bitte!
    »Nein, jetzt nicht mehr.« Nil brachte ein gequältes Lächeln zu Stande. »Der Imperator hat uns geeint. Als unser gemeinsamer Feind. Indem er über unsere kleinen Kriege, unsere sinnlosen Fehden gelacht hat. Gelacht, und, mehr noch, indem er uns verhöhnt hat. Er hat uns seine Verachtung spüren lassen, und das hat uns beschämt, Historiker. Als er Coltaine entgegengetreten ist, hatte unser Bündnis bereits begonnen, auseinander zu brechen. Kellanved hat sich über uns lustig gemacht. Er hat gesagt, er bräuchte sich nur zurückzulehnen und zu warten, um das Ende unserer Rebellion zu erleben. Mit diesen Worten hat er unsere Seelen gebrandmarkt. Mit diesen Worten und seinem Angebot von Einigkeit hat er uns Weisheit geschenkt. Auf Grund dieser Worte haben wir in ehrlicher Dankbarkeit vor ihm gekniet, haben akzeptiert, was er uns angeboten hat, und ihm unsere Loyalität geschenkt. Ihr habt Euch einst gefragt, wie der Imperator unsere Herzen gewonnen hat. Jetzt wisst Ihr es.«
    Die Entschlossenheit der Angreifer kehrte wieder zurück, als die verrosteten Waffen der alten Krieger an modernem Eisen zerbrachen. Auch die zu Skeletten gewordenen ausgetrockneten Körper erwiesen sich als ungeeignet für die Aufgabe, noch einmal zu kämpfen. Einzelne Teile fielen von ihnen ab, Gestalten stolperten, stürzten zu Boden und blieben liegen. Sie waren zu sehr zerbrochen, um sich noch einmal zu erheben.
    »Müssen sie ihre Niederlage wirklich noch ein zweites Mal durchleben?«, fragte Duiker.
    Nil zuckte die Schultern. »Sie haben uns etwas Zeit zum Atemholen verschafft, damit wir unsere Kräfte sammeln können. Und bedenkt, Historiker: Wenn diese Krieger beim ersten Mal gewonnen hätten, hätten sie ihren Opfern das Gleiche angetan, was ihren eigenen Familien angetan wurde.« Der Waerloga, der eigentlich noch ein Kind war, schüttelte den Kopf. »Es gibt nur wenig Gutes in den Menschen. Nur wenig Gutes.«
    Es schmerzte, diese Worte aus dem Mund eines so jungen Menschen zu hören. Erinnere dich daran, dass aus diesem Jungen die Stimme eines alten Mannes spricht. »Aber man kann es dennoch finden«, konterte Duiker. »Und es ist umso kostbarer, da es so selten ist.«
    Nil griff wieder nach seinen Zügeln. »Hier werdet Ihr nichts davon finden, Historiker«, sagte er, und seine Stimme klang so hart wie seine Worte. »Wir sind für unseren Wahnsinn bekannt, das zeigt uns der Geist dieser Insel. Die Erinnerungen, die wirklich übrig bleiben, sind allesamt entsetzlich, und unsere Taten sind so finster, als wollten wir das Land selbst versengen. Haltet die Augen offen«, fügte er hinzu, während er sein Pferd herumzog, um einen Blick auf die Schlacht zu werfen, die an der hölzernen Brücke wieder aufgeflammt war. »Es ist noch nicht zu Ende.«
    Duiker sagte nichts; er blickte dem kindlichen Waerloga nach, der auf die Reihen der Soldaten zuritt.
    So unmöglich es dem Historiker auch schien, plötzlich wurde der Pfad vor den Flüchtlingen frei, und sie begannen den Fluss zu überqueren. Duiker schaute zum Himmel hinauf. Die Sonne strebte dem Zenit entgegen. Irgendwie hatte er das Gefühl gehabt, es wäre schon viel später. Er warf einen Blick zu der von Staubwolken verhüllten Furt hinüber. Die Überquerung würde schrecklich werden; zu beiden Seiten des schmalen Übergangs drohte tiefes Wasser, und er stellte sich die Schreie der Kinder vor, der alten Männer und Frauen, die zu schwach waren, um es zu schaffen – die von der Strömung mitgerissen wurden und unter der Wasseroberfläche verschwanden. Doch so, wie der Staub den Blick versperrte, verschluckte das wirbelnde Wasser jedes andere Geräusch.
    Am Rand der wogenden, ängstlichen Menge patrouillierten Krieger des Krähen-Clans, als hüteten sie eine Herde geistloser Tiere. Mit langen stumpfen Stangen sorgten sie dafür, dass die Menschenmenge sich nicht zu

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