Das Reich des dunklen Herrschers - 8
entsetzlichen Lage befreien zu können, deshalb hatte er Verständnis.
»Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Es war richtig unheimlich. Es war, als würden diese Gedanken, daß ich nie wieder herauskommen würde, keine Luft bekäme und sterben müßte, plötzlich Besitz von mir ergreifen. Gefühle, die ich bislang gar nicht kannte, überkamen mich. Sie schienen mich glatt zu übermannen. So etwas ist mir noch nie passiert.«
»Spürst du diese seltsamen Gefühle noch immer?«
»Ja«, antwortete sie unter Tränen, »aber jetzt, wo ich wieder draußen bin, wo es vorbei ist, klingen sie allmählich ab.«
Die anderen hatten sich ein kleines Stück entfernt, um ihr die nötige Zeit zu geben, wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Richard versuchte, sie nicht zu drängen. Er hielt sie einfach fest und gab ihr das Gefühl, in Sicherheit zu sein.
»Es tut mir so leid, Richard. Ich komme mir so albern vor.«
»Brauchst du nicht. Es ist ja vorbei.«
»Du hast dein Versprechen gehalten«, sagte Jennsen, noch immer unter Tränen.
Ein Lächeln ging über Richards Lippen; er war selbst froh darüber.
»Richard«, rief Kahlan mit einem sonderbaren Unterton in der Stimme. »Was ist das da unter deinem Arm?«
»Oh, das habe ich unweit von Jennsen im Fels eingeklemmt gefunden, nahe der Stelle, wo sie festsaß. Im Dunkeln konnte ich nichts Genaues erkennen - außer daß es nicht aus Stein war.«
Er zog den Gegenstand hervor, um ihn zu betrachten. Es war eine kleine Statuette, eine ihm - in seinem Kriegszaubereranzug - nachempfundene Figur. Der Umhang war in einer wirbelnden Bewegung um die Beine festgehalten, so daß der Sockel etwas breiter war als die Taille. Die untere Partie der Figur war von lichtdurchlässiger Bernsteinfarbe, hinter der man ein Rinnsal aus feinem Sand in den beinahe gefüllten unteren Teil rieseln sah.
Im Gegensatz zu Kahlans Statuette bestand diese hier nicht ganz aus Bernstein. Im mittleren Teil ging der durchscheinende Bernstein des Sockels in eine dunklere Farbe über, so daß der Engpaß, durch den der Sand rieselte, verdeckt war. Nach oben hin wurde die Figur zunehmend dunkler.
Die obere Partie aus Kopf und Schultern war so tiefschwarz wie ein Nachtstein. Nachtsteine gehörten der Unterwelt an, ein gefährliches Material, dessen Aussehen Richard nur zu gut noch in Erinnerung war. Der obere Teil der Statuette schien aus dem gleichen unheilvollen Material zu bestehen - glänzend, glatt und von einer so tiefen Schwärze, daß sie das Tageslicht in sich aufzunehmen schien.
Ein Gefühl der Mutlosigkeit befiel ihn, als er sich auf diese Weise, als bereits vom Tod gezeichneter Talisman, dargestellt sah.
»Die hat sie gemacht«, rief Owen und drohte Jennsen, die noch immer in Richards schützendem rechten Arm lag, vorwurfsvoll mit dem Finger. »Mit Magie. Ich hab ja gleich gesagt, sie kann das. Sie hat sie dort unten in der Höhle in einem unbemerkten Augenblick aus schwarzer Magie erschaffen. Aus Nachlässigkeit hat sie einen Moment vergessen, daß sie keine Magie bewirken kann, und schon hat diese sie übermannt und sich in Gestalt der Statuette manifestiert.«
Owen hatte offenbar nicht die leiseste Ahnung, was er da redete. Diese Statuette war eindeutig nicht Jennsens Werk.
Sie war das zweite Warnzeichen, gedacht als Warnung an den, der imstande war, die Lücke wieder zu verschließen.
»Lord Rahl … «
Richard sah auf. Es war Cara. die gesprochen hatte.
Sie stand ein Stück abseits mit dem Rücken zu ihnen und schaute hoch zu einem kleinen Himmelsausschnitt zwischen den Bäumen. Jennsen drehte sich in seinen Armen herum, um zu sehen, was der Grund für Caras seltsamen Tonfall sein mochte. Er zog seine Schwester fest an sich, trat hinter Cara und spähte zwischen den Wipfeln in den Himmel, um zu sehen, wohin sie blickte.
Durch eine lichte Stelle im Dach aus Föhrenzweigen konnte man, oberhalb von ihnen, den Rand des Gebirgspasses erkennen. Vor den eisengrauen Wolken, die sich verstohlen durch den Pass schoben, zeichnete sich die Silhouette eines eindeutig von Menschenhand geschaffenen Objekts ab.
Es sah aus wie eine gewaltige, mitten auf dem Paß sitzende Statue.
34
»Was denkst du?«, wandte sich Kahlan an ihn.
Richard schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht.« Er warf einen Blick nach hinten, zwischen die schützenden Bäume. »Hast du wirklich keine Idee, was es damit auf sich haben könnte, Owen?«
Die aufgewühlten Wolken bildeten eine unheilvolle Kulisse für die
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