Das Reich des dunklen Herrschers - 8
eindrucksvolle Statue oben auf dem Kamm.
»Nein, Lord Rahl. Ich bin noch nie hier gewesen; keiner von uns hat diesen Weg jemals benutzt. Ich weiß wirklich nicht, was es sein könnte. Es sei denn …« Seine Worte verklangen in einem Heulen des Windes.
»Es sei denn was?«
Erschrocken wich Owen zurück und spielte verlegen am Knopf seiner Jacke, während sein Blick erst kurz zu der Mord-Sith und schließlich, auf der anderen Seite, zu Tom und Jennsen hinüberzuckte. »Es gibt eine Weissagung - von denselben Leuten, die uns unseren Namen gegeben haben und uns mit der Sperrung des Passes beschützen wollten. Dort heißt es, als sie unserem Reich den Namen gaben, hätten sie uns auch erklärt, eines fernen Tages werde ein Erlöser zu uns kommen.«
Richard wollte schon fragen, wovon genau sie seiner Meinung nach erlöst werden müßten - wo sie doch in einer so erleuchteten Gesellschaft lebten, die sie vor den unerleuchteten »Barbaren« im Rest der Welt beschützte. Statt dessen beließ er es bei einer einfacheren Frage, die Owen möglicherweise sogar beantworten konnte.
»Deiner Meinung nach könnte es sich also um eine Statue dieses Erlösers handeln?«
Owen, sichtlich nervös, zögerte, rang sich dann aber doch zu einem Schulterzucken durch. »Er ist nicht einfach nur ein Erlöser. In der Weissagung heißt es weiter, er werde uns obendrein vernichten.«
Richard musterte ihn stirnrunzelnd und hoffte inständig, daß dies nicht wieder eine dieser überspannten, pseudoreligiösen Lehren war.
»Dieser Erlöser, von dem du sprichst, wird euch also vernichten. Ergibt das einen Sinn?«
Owen beeilte sich, ihm beizupflichten. »Ich weiß. Niemand versteht das.«
»Vielleicht soll es lediglich bedeuten, daß jemand kommt, um Euer Volk zu retten«, schlug Jennsen vor, »dabei jedoch scheitert und euch bei dem Versuch letztendlich vernichtet.«
»Vielleicht.« Es bereitete ihm sichtlich Verdruß, diesen Ausgang der Geschichte in Erwägung ziehen zu müssen.
»Aber vielleicht bedeutet es ja auch«, schlug Cara boshaft vor, »daß dieser Mann auftaucht und, nachdem er dein Volk gesehen hat, beschließt, es sei nicht wert, gerettet zu werden, und es statt dessen«- sie beugte sich ganz nah zu ihm hin -»ausrottet.«
Owen starrte Cara entgeistert an; offenbar betrachtete er ihre Äußerung als durchaus realistische Möglichkeit und nicht als den bitteren Spott, als der sie, wie Richard wußte, gemeint war.
»Ich denke, das ist nicht damit gemeint«, erklärte Owen ihr nach reiflicher Überlegung. Er wandte sich wieder Richard zu. »Denn die Weissagung, wie man sie uns gelehrt hat, besagt, daß erst ein Mann kommen wird, der uns vernichtet. Erst danach ist davon die Rede, daß derselbe uns retten wird. ›Euer Vernichter wird kommen, und er wird Euch befreien‹«, zitierte Owen. »Das ist der Wortlaut, den man uns beigebracht hat, das sind die Worte, die man meinem Volk mit auf den Weg gegeben hat, als man uns hier, jenseits des Passes, ansiedelte.«
»›Euer Vernichter wird kommen, und er wird Euch befreien‹«, wiederholte Richard seine Worte. Er atmete geduldig einmal tief durch. »Sehr wahrscheinlich ist der ursprüngliche Wortlaut bei der Überlieferung völlig durcheinander geraten. Möglicherweise hat er mit der anfänglichen Weissagung nur noch wenig gemein.«
Statt augenblicklich zu widersprechen, wie Richard es erwartet hatte, nickte Owen beflissen. »Einige von uns sind derselben Meinung wie Ihr, daß der wahre Wortlaut verloren gegangen ist oder verdreht wurde. Andere wiederum glauben, daß er unverändert überliefert wurde und eine wichtige Bedeutung enthalten müsse. Dann gibt es Leute, die glauben, die Weissagung besagt nichts weiter, als daß ein Erlöser kommen wird; wieder andere sehen darin die Ankündigung eines Vernichters.«
»Und was glaubst du?«, fragte Richard.
Owen spielte erneut mit dem Knopf an seiner Jacke. »Ich denke, sie soll besagen, daß erst ein Vernichter kommen wird - vermutlich dieser Nicholas von der Imperialen Ordnung - und anschließend ein Erlöser, der uns erretten wird. Und ich glaube, dieser Mann seid Ihr, Lord Rahl. Dieser Nicholas ist unser Vernichter, und Ihr seid unser Erlöser.«
Aus dem Buch der Prophezeiungen wußte Richard, daß Prophezeiungen bei diesen Leuten, den Säulen der Schöpfung, stets versagten.
»Was deine Leute für eine Weissagung halten«, erklärte Richard, »ist wahrscheinlich nichts weiter als ein altes Sprichwort, das die Menschen
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