Das Reich des dunklen Herrschers - 8
sein Kopf den Mund im ersten Augenblick des nicht vollends begriffenen Schreckens noch geöffnet, die schwarz glänzenden Augen immer noch bemüht, das soeben Gesehene in seiner Gesamtheit zu erfassen, in die Höhe stieg, sich unendlich langsam zu drehen begann, während das Schwert seinen tödlichen Bogen vollendete und geschwungene Fäden seines Blutes eine lange, nasse Spur auf die Wand in seinem Rücken zeichneten.
Richards Schrei verstummte, als der Schwung des Schwertes seinen Endpunkt erreichte. Schlagartig kehrte die Welt rings um ihn her zurück.
Der Kopf landete mit einem laut vernehmlichen, splitternden Krachen auf dem Boden.
Es war vorbei.
Richard ließ seinen Zorn verebben; er mußte ihn augenblicklich wieder unter seine Kontrolle bringen, denn er hatte noch etwas weitaus Wichtigeres zu erledigen.
Noch während er in einer einzigen fließenden Bewegung die blutbesudelte Klinge in ihre Scheide zurückschob, wandte er sich bereits dem zweiten Körper zu, der zu seiner Rechten an der Wand lehnte.
Fast hätte ihn ihr Anblick überwältigt. Sie dort sitzen zu sehen, lebend, atmend und äußerlich unversehrt, erfüllte ihn mit einem hemmungslosen Glücksgefühl. Seine schlimmsten Befürchtungen, Befürchtungen, die er sich nicht einmal bewußt eingestehen mochte, waren im nu verflogen.
Doch dann bemerkte er daß mit ihr keineswegs alles in Ordnung war. Wie hätte sie einen solchen Übergriff auch unbeschadet überstehen können?
Richard fiel auf die Knie und nahm sie in die Arme. Sie fühlte sich so leicht an, so völlig kraftlos. Ihr Gesicht war aschfahl und mit Schweißperlen bedeckt, ihre Lider halb geschlossen, die Augen ganz nach oben verdreht.
Richard versenkte sich in sein Innerstes und suchte dort die Kraft, um jenen Menschen, den er mehr liebte als das Leben selbst, ins Leben zurückzuholen. Er öffnete ihr seine Seele. Alles, was er wollte, alles, wonach er sich sehnte, als er sie jetzt in den Armen hielt, war, daß sie weiterleben, daß sie unversehrt sein möge.
Instinktiv, ohne recht zu begreifen, was er tat, ließ er seine Kraft von einem Ort auf dem Grund seiner Seele aufsteigen und überließ sich völlig diesem vorwärtsschießenden Strom. Er zog sie fest an seine Brust und ließ seine Liebe für sie, sein Verlangen nach ihr, durch die Verbindung strömen.
»Komm zurück, wohin du gehörst«, sprach er mit leiser Stimme auf sie ein.
In der Absicht, ihr den Weg zu weisen, ließ er das Zentrum seiner Kraft durch ihren Körper wandern. Es war, als tastete er sich mittels des Lichts seines tief im Innern verborgenen Talents durch völliges Dunkel. Die genaue Wirkungsweise hätte er nicht beschreiben können, trotzdem gelang es ihm, sein Wollen, sein Streben, bewußt zu bündeln.
»Komm zu mir zurück, Kahlan. Ich bin hier.«
Kahlan keuchte. Trotz ihres noch immer schlaffen Körpers spürte er in seinen Armen ihre frisch erwachte Lebenskraft. Wieder schnappte sie nach Atem, so als wäre sie um ein Haar ertrunken und gierte jetzt nach Luft.
Endlich spürte er eine Bewegung in seinen Armen; ihre Glieder bewegten sich tastend, tappend. Blinzelnd schlug sie die Augen auf, schaute hoch und ließ sich erstaunt wieder in seine Arme zurücksinken.
»Richard … ich konnte dich hören. Ich war so allein. Bei den Gütigen Seelen! Ich wußte nicht mehr ein noch aus … dann hörte ich plötzlich Nicholas’ Schrei. Ich fühlte mich so verloren und allein. Ich wußte nicht, wie ich zurückkehren sollte. Dann, plötzlich, habe ich dich gespürt.«
Sie klammerte sich so fest an ihn, als wollte sie ihn nie wieder hergeben.
»Du hast mir den Weg gewiesen und mich aus der Dunkelheit zurückgeholt.«
Richard betrachtete sie lächelnd. »Ich bin ein Waldführer, schon vergessen?«
Sie sah ihn verwundert an. »Wie hast du das nur gemacht?« Ihre wunderschönen grünen Augen weiteten sich hoffnungsvoll. »Richard, deine Gabe … «
»Das Problem mit meiner Gabe habe ich gelöst. Kaja-Rang höchstselbst hat mir die Lösung verraten. Eigentlich kannte ich sie schon die ganze Zeit, nur war ich mir dessen nicht bewußt. Mit meiner Gabe steht alles wieder zum Besten, und auch die Magie des Schwertes gehorcht mir wieder. Ich war so mit Blindheit geschlagen, daß ich gar nicht weiß, ob ich dir das alles überhaupt erzählen will.«
Richards Atem stockte; unfähig, den Reiz länger zu unterdrücken, bekam er einen Hustenanfall. Nicht einmal sein schmerzverzerrtes Gesicht konnte er verbergen.
Erschrocken
Weitere Kostenlose Bücher