Das Reich des Lichts
innere Uhr funktioniert nicht. Ich höre Stimmen. Jemand ist soeben hereingekommen.
„Hallo, Arturo!“, ruft Batiste. „Hier bin ich wieder! Siehst du, es ist dir nichts passiert! Ich hab dir auch jemanden mitgebracht…“
„Hallo, Drachengesicht“, sagt Horacio und tippt mir mit dem Zeigefinger auf die Brust. „Wie geht’s?“
„Hallo, Kleiner“, sagt Jazmín, der plötzlich neben ihm auftaucht. „Erinnerst du dich an mich?“
„Und an mich?“, fragt Mireia. „Erinnerst du dich auch an mich?“
„Was macht ihr denn hier?“, frage ich zurück. „Seit wann seid ihr Freunde?“
„Wir machen jetzt ein kleines Experiment, mit deiner Hilfe“, sagt Batiste. „Versuch gar nicht erst, deinen Drachen zu rufen, es wird dir nämlich nicht gelingen. Du bist von dem alchemistischen Licht verhext. Dein Gehirn funktioniert nicht. Bleib ganz ruhig! Wir werden dir nichts tun … vorerst …“
Horacio sieht mich mit einem gefährlichen Grinsen an. Er genießt es sichtlich, mich so hilflos vor sich zu sehen.
„Setz dich da hin, Horacio“, fordert Batiste ihn auf. „Und beweg dich nicht.“
„Ja, aber vorher werde ich was tun, was ich schon immer mal wollte“, sagt Horacio.
Er holt aus und schlägt mich mitten ins Gesicht. Und noch einmal …
„Das reicht!“, schreit Batiste und packt ihn am Arm. „Willst du, dass er aufwacht und sich wehrt? Setz dich da hin!“
Horacio grinst mich wieder frech an und tut, was der Doktor ihm befohlen hat.
Trotz meiner Benommenheit merke ich, dass mein Gesicht brennt. Er hat voll zugeschlagen!
Batiste wendet sich von mir ab. Mireia nutzt die Gelegenheit und verpasst mir ebenfalls eine Ohrfeige.
„Ha, das hat gut getan!“, sagt sie.
Batiste wirft ihr einen vorwurfsvollen Blick zu.
„Keine Angst, Arturito“, lacht Jazmín, während er sein Köfferchen öffnet. „Ich habe nicht vor, dir den Kopf abzureißen. Ich werde dir kein Härchen krümmen.“
„Das stimmt“, sagt Doktor Batiste. „Horacio wird mehr leiden als du.“
„Glaub mir, Tätowieren tut weh, auch wenn die Leute es nicht zugeben“, erklärt Jazmín. „Aber Horacio ist entschlossen, sich ein Tattoo machen zu lassen.“
„Und zwar dahin, wo es am meisten wehtut“, fügt Mireia hinzu. „Mitten ins Gesicht!“
„Aber es lohnt sich“, sagt Horacio. „Wenn ich dieses Tattoo habe, werde ich ein Adragón sein wie du!“
„Jawohl!“, bestätigt Batiste. Er schwenkt ein Fläschchen vor meinem Gesicht, damit ich es gut sehen kann. „Weißt du, was das ist, Arturo? Nein? Das ist magische Tinte! Die gleiche wie die auf deiner Stirn.“
Er lügt. Sie waren nicht in der Grotte. Also haben sie auch keinen Drachenstaub und kein Wasser aus dem Fluss.
„Weißt du, woher wir sie haben?“, fragt er. „Ich selbst habe sie hergestellt! Wie dein Vorfahre Arquimaes. Und das mithilfe einer Zauberformel von Rías. Er war ein Genie!“
Ich weiß nicht, wovon er redet. Die Tinte muss eine Fälschung sein. Doktor Batiste ist ein Betrüger!
„Erinnerst du dich an die Bücher, die aus der Wohnung deiner Freundin Escoria gestohlen wurden? Und weißt du, wo sie gelandet sind? Das weißt du nicht, was?“
Wieder einmal muss ich feststellen, dass es für alles auf der Welt eine Erklärung gibt.
„Ich werd’s dir sagen: Die Bücher sind bei mir gelandet! Ich habe viel Geld dafür bezahlt. Und weißt du, was ich mit ihnen gemacht habe?“
Ich will es lieber gar nicht wissen.
„Ich habe ihnen die Tinte entzogen! Hab die Bücher ausgepresst wie Zitronen! Deshalb sind sie leer! Nur weiße Seiten! Jetzt habe ich genug Tinte, um Horacio einen Drachen auf die Stirn tätowieren zu lassen, genau so einen, wie du ihn hast. Wie findest du das?“
Wenn ich könnte, würde ich ihm sagen, dass ich das teuflisch finde.
„Rías hat eine Formel gefunden, mit der man die Tinte aus den Büchern wiederverwenden kann. Er hat sie in einer Geheimsprache aufgeschrieben, ich musste sie nur entziffern. Rías hat mir die Formel sozusagen vermacht. Mit ihrer Hilfe ist es mir gelungen, den Büchern die magische Tinte zu entziehen. Verstehst du jetzt, warum ich gesagt habe, dass es auch heute noch Alchemisten gibt? Ist dir das jetzt klar?“
„Und Jazmín wird mir einen süßen kleinen Drachen ins Gesicht tätowieren, und dann werde ich so sein wie du“, sagt Horacio in fast drohendem Ton. „Ich werde dieselben magischen Kräfte besitzen wie du! Die Macht des Adragón!“
Die vier brechen in schallendes Gelächter
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