Das Reich des Lichts
sich zu uns gesellt. Hinkebein legt mir die Hand auf die Schulter, um mir Mut zu machen. Adela, die zu Strombers Mitarbeiterstab gehört, wirft mir einen mitfühlenden Blick zu.
„Komm schon, lass dich nicht so hängen“, ermahnt mich Metáfora.
„Ich verstehe meinen Vater nicht. Warum hat er mich angelogen? Und jetzt holen sie die Geheimnisse, die unter der Stiftung liegen, ans Tageslicht. Ich will das nicht!“
„Keine Sorge, Arturo“, tröstet mich Hinkebein. „Wir werden schon einen Weg finden, um in den Palast hinunterzusteigen.“
„Vielleicht ist es besser, wenn du zuerst mit deinem Vater sprichst, bevor ihr weitermacht“, sagt Sombra. „Du musst ihn nach den Gründen fragen, die ihn bewogen haben, dieses Dokument zu unterzeichnen.“
„Nein, Sombra! Ich glaube, dass es ein großer Fehler war. Er wird mich nicht vom Gegenteil überzeugen können. Er hat das Wertvollste verkauft, was ein Mensch im Leben hat. Und er hat mich getäuscht.“
„Das Wertvollste ist das Leben, und das hat er nicht verkauft“, entgegnet mir Sombra. „Und wenn du es behalten willst, dann pass auf, was um dich herum geschieht. Sonst verlierst du auch das noch.“
„Was willst du damit sagen, Sombra?“, frage ich.
„Ich glaube, ich habe mich klar ausgedrückt, oder?“
„Nicht so ganz, Sombra“, mischt sich Metáfora ein. „Was meinst du, was wird Arturos Vater sagen, wenn wir ihn nach seinen Motiven fragen?“
„Das weiß nur er selbst … Aber ich bin mir sicher, dass er triftige Gründe hatte, auch wenn ihr sie nicht versteht“, verteidigt Sombra meinen Vater. „Ohne seine Erlaubnis solltet ihr jedenfalls nicht in den Keller hinabsteigen.“
„Aber die Kellerräume gehören doch dir“, erinnere ich ihn. „Wenn du uns die Erlaubnis erteilst, können wir runter.“
„Zuerst sprichst du mit deinem Vater. Ich werde tun, was er sagt, einverstanden?“
„Aber wir hatten doch ausgemacht, dass …“
„Die Situation hat sich grundlegend verändert“, sagt Sombra. „Dein Vater hat das letzte Wort, klar?“
Der restliche Schutt wird auf die bereitstehenden Lastwagen geladen. Alles ist in eine dichte Staubwolke gehüllt. Mir brennen die Augen. Weiter hinten erkenne ich Stromber, den Mann, der meinen Platz im Leben einnehmen will. Er schaut argwöhnisch zu mir herüber.
„Hinkebein, wie viele Leute wissen wohl, dass es da unten einen Palast gibt, der zum Königreich von Arquimia gehört hat?“, frage ich meinen Freund.
„Schwer zu sagen“, antwortet er. „Viele Historiker spekulieren darüber, aber wissen tut es keiner. Es fehlen eindeutige Beweise. Auf jeden Fall bringt so gut wie niemand die Geschichte von Férenix mit der von Arquimia in Zusammenhang … Warum fragst du?“
„Ach, nur so. Ich würde nur gern wissen, woher es eine Wahrsagerin wissen könnte.“
„Eine Wahrsagerin?“
„Ja, sie heißt Estrella. Kennst du sie?“
Hinkebein gibt keine Antwort, aber ich habe das Gefühl, dass er weiß, wer die Frau ist. Auch wenn er es aus irgendeinem Grund nicht zugeben will.
***
E S IST N ACHT, niemand ist da. Nicht einmal Sombra hat mich bemerkt. Die Ruinen sehen jetzt richtig aufgeräumt aus.
Mit Papa habe ich noch nicht gesprochen. Ich will lieber noch ein wenig warten, bis ich mich beruhigt habe. Deswegen bin ich hierhergekommen.
Alles ist still. Die Arbeiter haben Feierabend, die Maschinen schweigen. Ich steige über die Absperrung und betrete die Baustelle. Langsam gehe ich zu den Überresten einer Treppe und setze mich auf die unterste Stufe. Ich muss mit Mama reden. Sie liegt da unten, ganz alleine. Ich glaube, wir brauchen beide ein wenig Gesellschaft.
„Hallo, Mama … Ich bin gekommen, um bei dir zu sein. Ich weiß, dass du dich einsam fühlst und dir Fragen stellst, auf die du keine Antworten weißt. Deswegen bin ich hier … um dir alles zu erzählen, was ich weiß.“
Ich warte einen Moment, bevor ich ihr die schlechte Nachricht übermittle:
„Papa hat den Namen unserer Familie verkauft. Offiziell heißen wir jetzt nicht mehr Adragón. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Ich weiß nichts mehr. Ich bin völlig verwirrt. Wenn Metáfora nicht wäre,wüsste ich nicht, was ich tun sollte. Sie gibt mir Mut. Sie ist meine beste Freundin. Aber das habe ich dir wohl schon erzählt, nicht wahr? Ich glaube, ich liebe sie mit jedem Tag mehr. Unser Verhältnis hat sich sehr verändert. Vor Kurzem noch konnten wir uns nicht ausstehen. Ich dachte, ich wäre so nervös, weil ich zum
Weitere Kostenlose Bücher