Das reine Karma 2
quälte mich der Gedanke: „Was ist, wenn er nicht will?“ Wenn ich versuchte, die Situation von außerhalb in Balance zu bringen, d.h. der Mannschaft mitzuteilen, was passieren könnte, um sie irgendwie darauf vorzubereiten, könnten ich und meine Kinder dafür bestraft werden.
Wenn ein Zug verunglückt oder ein Flugzeug abstürzt, dann werden die betroffenen Menschen lange vorher dafür ausgewählt. Der Gedanke, dass eine Mannschaft, die wenige Überlebenschancen hatte, mit ihrem Schiff in See stechen sollte, war quälend. Doch wie heißt es: „Ungefragt soll man sich nicht einmischen.“ Ich hatte ungebeten diagnostiziert, und nun wurde ich dafür bestraft.
Doch ich hatte Glück — der Kapitän kam zu mir. Einem vernünftigen und selbstbewussten Menschen fällt es sicherlich schwer, sich in eine schmuddelige Praxis in einem Stadtgebiet, das einem Elendsviertel ähnelt, zu begeben und sich Bange machende Worte eines „Zauberers und Sehers“ anzuhören. Das war also keine Sitzung, sondern ein Meinungskampf. Schon geringste Ambitionen und Kränkungen meinerseits hätten zum Abbruch führen können. Mir wie auch ihm fiel es schwer, sich zu beherrschen. Ich spürte, dass er mir nicht glaubte. Er stand sogar auf, um zu gehen.
„Denken Sie an die Mannschaft, die Ihnen folgt.“
Der Kapitän setzte sich, und der Kampf begann erneut. Ich bemerkte eine Besonderheit: Je schwerer etwas einem Menschen verständlich wird, umso länger behält er das, was er begriffen hat. Am Ende des Gesprächs hatte sich etwas verändert, das sah ich nicht nur anhand des Feldes, sondern auch äußerlich. Dann führte ich eine Fernbetrachtung durch. Unmittelbar vor dem Auslaufen des Schiffes änderte sich die Zusammensetzung der Mannschaft. Die Fahrt verlief normal. Das Feld des Kapitäns und der Mannschaft lag in der Norm. Nach einem halben Jahr betrachtete ich sein Feld — es war rein, alles war normal und es gab keinerlei Spuren von dem, was vorher gewesen war.
Um die Zukunft zu sehen, muss man mit der Vergangenheit arbeiten können. Jedes Ereignis ist auf der feinen Ebene verzeichnet, und daher kann man jede Situation, die eingetreten ist, analysieren, indem man sie langsam in der Rückblende betrachtet. Die Erfahrungen der Vergangenheit ermöglichen, mit der Zukunft zu arbeiten.
1993 ging ein Frachtschiff der Ostseereederei unter, es gab nur einen Überlebenden. Ich habe dieses Ereignis immer wieder auf der feinen Ebene betrachtet und stets ein und dieselbe Feldinformation des Schiffes und die gleichen Ursachen, die zum Tod der Menschen führten, gesehen. Wenn ich nun analoge Deformationen bei einem anderen Schiff sah, war das bereits ein Omen für künftige Probleme. Die Möglichkeit, die Situation einzuschätzen und sie zu ändern, bevor sie auf physischer Ebene eintritt, kann nicht nur Leben retten, sondern auch Katastrophen und finanzielle Verluste verhindern.
Im Herbst 1993 sprach ich mit einem Freund über Schwierigkeiten, die in der Reederei in Petersburg entstanden waren.
„Seit einigen Monaten wird kein Geld mehr gezahlt“, sagte er. „Die Familien der Seeleute befinden sich in einer schwierigen Lage.“
Ohne ernste Absicht beschaffte ich mir Informationen über die Reederei und diagnostizierte. Die Schicksalsparameter der Reederei waren todbringend. Am wichtigsten war aber, dass die Ursachen hierfür vollkommen mit dem Untergang des Schiffes übereinstimmten. Hieraus ergab sich, dass das Energiefeld der Reederei in vielerlei Hinsicht das Schicksal der Schiffe bestimmte. Von dem Wunsch geleitet, den Seeleuten zu helfen, beschloss ich, mich mit der Leitung der Reederei zu treffen.
„Weißt du“, sagte ich zu dem Freund, „ohne ein Treffen mit der Leitung ist es unmöglich, die Situation zu ändern.“
„Gut, dann rede ich mit ihnen“, sagte er. Am erstaunlichsten ist, dass das Treffen einige Tage später stattfand und alles, was ich sagte, ernsthaft aufgenommen wurde. Es wurde sogar ein Vertrag abgeschlossen, nach dem ich die Mannschaften und die Schiffe vor dem Auslaufen diagnostizieren sollte. Und hier musste ich mich mit dem auseinander setzen, was sich „Trägheit menschlichen Denkens“ nennt. Wie sich herausstellte, war es notwendig, zuerst den Menschen mein System eingängig darzulegen, damit sie mich auch verstanden. Sie betrachteten mich im besten Fall als einen Scharlatan. Ich war es gewohnt, mit Kranken zu arbeiten, die begierig jedes meiner Worte aufnahmen, aber hier musste ich mit gesunden
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