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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Taroknollen, die Yam-Wurzeln, Süßkartoffeln, Bananen – sie stammten von den anderen Inseln und waren als Saatgut hergebracht worden.
    Gilbert Descartes – ein Franzose? Und ein Inselhändler dazu? Ganz offensichtlich war es einer, der Tonu'Ata anlief, wunderschöne Holzschnitzereien aus Sandel- oder aus dem schweren Miloholz einsammelte, das hart und glatt war wie Mahagoni, und aus dem die Dorfbewohner auch die großen Puobua schnitzten, die Kriegskeulen, die sie über und über mit Zierfiguren schmückten.
    Gilbert Descartes war es, der all diese unglaublichen Handarbeiten, dazu den kunstvoll geflochtenen Baststoff, mit dem sie die Böden und Wände der Häuser schmückten, einsammelte, zusammenraffte und an die Grossisten verscherbelte, die die Touristenmärkte und Naturkunde-Museen belieferten.
    Und was bekamen die Leute von Tonu'Ata? Leere Benzinkanister, Beutelchen mit Pflanzensamen, Angelhaken, ein paar Werkzeuge. Dazu noch Nylonleinen, Faden und Nadeln.
    Ron fragte Tápana, den Häuptling. Er streckte den Arm aus, zeigte aufs Meer: »Wo, wo ist Gilbert Descartes?«
    »Gilbert?« Tápana lächelte mit braunen Zähnen. »Kaume'a.«
    »Kaume'a – das bedeutet Freund.«
    »Glaub' ich dir, Tápana. Aber wo lebt er?«
    »Toku«, sagte Tápana, »Neiafu.«
    Na also … Und was hieß das? Daß er, Ron, sich in einer ganz beschissenen Lage befand. Toku gehörte zwar zur Vava'U-Gruppe, lag aber abseits aller Fährrouten. Hierher verirrte sich kein Flugzeug. Noch nicht einmal die kleinen Twin-Otters der Lokalgesellschaften. Da gab's nur Typen wie diesen Descartes, der mit der Einsamkeit Geschäfte machte und aus ihr herausholte, was herauszuholen war.
    »Gilbert Descartes, wie oft kommt er?«
    Tápana hob den rechten Arm. Der Zeigefinger deutete nach oben. Einmal also. Einmal im Jahr wohl. Vielleicht in Wochen, vielleicht in Monaten?
    Doch Descartes kam nicht.
    Sooft Ron auch am Strand hockte und auf das Meer starrte – kein Segel, kein Mast, kein Schiff zeigte sich.
    Aber dann vergaß er es, den Horizont abzusuchen. Er vergaß auch, was hinter ihm lag. Es gab soviel Wichtigeres!
    Die unbefangene Freundlichkeit dieser Menschen ließ keine depressiven Anwandlungen mehr hochkommen. Und dann war da Tama. Seit Wochen teilte dieses samtäugige Zauberwesen mit einer Unbefangenheit, die ihm den Atem nahm, seine Hütte und seine Nächte. ›Love is beautiful‹ hatte er ihr beigebracht. ›Die Liebe ist schön‹. Sie kicherte den albernen Vers vor sich hin, und er konnte sich nicht sattsehen an der Anmut ihrer Bewegungen, ihres Körpers, an diesem unglaublich langen, schwarzglänzenden Haar, das bei ihren Liebesspielen ihren Oberkörper einhüllte.
    Viele Frauen hatte er gekannt. Ein solches Wunder an heißblütiger natürlicher Leidenschaft – wo gab es das noch? – Hier, bei ihm. Wahrscheinlich nur hier …
    Tama brachte ihm bei, wie man Yam-Wurzelbrei röstet und Kokoscreme bereitete. Sie schleppte ihn zu ihrer Schwester, wenn es darum ging, ein Hühnchen zu töten, denn das konnte Lanei'ta viel besser als sie. Tápana, ihr Häuptlingsvater, hatte ihm den Namen ›Ovaku‹ gegeben. Ron Edwards hatte aufgehört, auf der Insel zu existieren, aber Ovaku gab's, den Mann, der Tama bekam und den sie, nachdem die letzte Barriere von Abwarten und Mißtrauen abgebaut war, ›Bruder‹ nannten.
    Und das war er wohl auch.
    Nomuka'ta, der Medizinmann, drehte sich zwar noch immer ab, wenn Ovaku auftauchte, oder er warf ihm unter seinem sonderbaren Kopfschmuck hervor lauernde Blicke zu. Was interessierte es ihn? Für die anderen war er Ovaku, der Bruder.
    Sie zeigten ihm, wie man die schweren Milostämme fällt, sie zu Tal bringt, um aus den größten ein Kanu herauszuschlagen und es mit Hilfe des Feuers auszuhöhlen. Sie zeigten, wie man die Ausleger baut, die das Boot bei jedem Wellengang ruhig halten, wie man dann die Segel und die Plattformen darüber anbringt, so daß eine ganze Familiengruppe sorglos von einer Inselspitze zur anderen fahren kann. Sie zeigten, wie man Netze legt, Fische harpuniert, Hummer fängt und Wände und Dächer mit Teer und Baumharz abdichtet.
    Ovaku hatte zu tun. Und vor allem zu lernen. So viel, daß er kaum hinsah, wenn sich im Süden, über dem Meer, wieder einmal der Kondensstreifen einer fortfliegenden Maschine zeigte.
    Wenn er abends nach Hause kam, wo ihn Tama mit dem Essen erwartete, und wenn später auf dem Bett ihr Blick zärtlich wurde, und wenn ihre Lippen langsam über seinen Hals zu

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