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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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lange kannte, von dem er aber wußte, daß er von nun an nicht mehr aufzuhalten war.
    Dieser neue Eduard Rudolf Hamacher hatte gerade beschlossen, den ganzen Krempel hinzuschmeißen. Mit allen Konsequenzen. Und ohne jede Rücksicht auf die Folgen.
    Rudolf Eduard Hamacher hatte fünfunddreißig Jahre gebraucht, ehe er beschloß, einigen verrückten Träumen zu folgen, die ihn seit Jahren nicht in Ruhe ließen. Was sie ihm bringen konnten, darüber war er sich nicht so recht im klaren, haargenau aber wußte er, was er nicht mehr wollte: Börsenkurse und Computerdaten schon am frühen Morgen, Krawattenknoten, die ihm den Hals zuschnürten, Stau auf der Autobahn, Chemie, Smog und sauren Regen, einen Chef, der ihm quer über den Schreibtisch seinen stinkenden Zigarrenqualm ins Gesicht blies, den Anblick der Bank in der Hohe Straße, und mochte sie auch hundertmal das älteste Bankhaus Kölns sein. Vor allem nicht das lockere Lächeln des Aufsteigers, der alles mit links schafft, der dynamische Überflieger, der noch jedes Kunden- und Kreditproblem gelöst hat.
    Die Nummer war vorbei. Er hatte es satt, in irgendeinem dieser Schickeria-Lokale von der ›unbarmherzigen Steigerung des Wettbewerbs beim Kampf um Marktanteile‹ zu faseln, während er den Hals einer Frau streichelte, die er kaum kannte.
    Es war nicht nur ein Eklat, es war eine Bombe, die er platzen ließ. Sie hatten ihm gerade einen Direktorposten angeboten – und er kündigte!
    »Eddi, hast du noch alle Tassen im Schrank?« erregten sich die Kollegen.
    »Nicht eine«, erwiderte Hamacher und grinste.
    Am nächsten Tag räumte er sein Konto ab, wechselte, was da zusammengekommen war, und das war ziemlich viel, kaufte sich ein Lufthansa-Ticket nach New York und flog ab. Von New York flog er weiter nach Dallas, Texas. Auf einer Cattle-Ranch, die den schönen Namen ›Fairyland Inn‹ trug und auf deren Wiesen neuntausend Rindviecher weideten, heuerte er zunächst als Accountant, als Buchhalter, an, zog aber bald wieder um. Er zog in die Baracke der Cowhands.
    Doch statt Pferde zuzureiten oder Jungtiere mit dem Lasso einzufangen, bekam er es mit Zäunen zu tun. Endlosen Kilometern von verdammten Drahtzäunen. Das brachte ihm Blasen an den Händen und jede Menge Stiche von Kuhfliegen ein. Aber zum ersten Mal überkam ihn mit Gewalt das Gefühl: Mensch, das ist zwar ein Scheißjob, und den wirst du auch bald hinter dir haben, aber du liegst richtig! Völlig richtig!
    In der Nähe der Ranch gab es einen Ort namens Ebony. Der beliebteste Sport in Ebony bestand darin, irgendwelche umgebauten Dodges, Mercuries oder Fords auf der Hauptstraße zu Schrott zu fahren. Vorne hatten die Jungens meist gewaltige Stierhörner montiert, dann soffen sie sich einen an, setzten sich hinters Steuer, lieferten sich wilde Rennen und gaben erst auf, wenn die Karre irgendwo im Straßengraben oder auf dem Dach eines Konkurrenten gelandet war.
    An der Theke einer der vielen Bars, von denen sich der röhrende, staubige Wahnsinn dort draußen beobachten ließ, hatte Eddi einen grünäugigen, schwarzmähnigen Mann getroffen, der von sich behauptete, Rechtsanwalt und der Sohn eines Iren und einer Indianerin zu sein. Das interessierte Eddi wenig. Aufmerksam wurde er erst, als der Typ ihn fragte, ob er nicht Interesse an einem guten US-Paß hätte. Er könne jeden besorgen.
    Der Fremde hatte bereits eine halbe Flasche Whisky hinter sich. Was das Saufen anging, schien er tatsächlich beides zu sein: Ire und Indianer. Auch Hamacher war nicht mehr allzu nüchtern. Vielleicht, daß ihm deshalb die Idee so gut gefiel. Im Grunde aber war es wohl doch etwas anderes: Wenn er sich den Vorschlag genau überlegte, konnte er damit Rudolf Eduard Hamacher und alles, was mit ihm zusammenhing, begraben. Und das für alle Zeiten.
    Bei der Arbeit an den Zäunen hatte er manchmal die abgestreiften Häute von Klapperschlangen gefunden. Ein neuer Name, ein neues Leben. Auch dies würde eine Art Häutung werden!
    Aber wenn der Kerl ihn nun verarschte?
    Trotzdem!
    Eddi verabschiedete sich im Geiste von den fünfzig Dollar Anzahlung, fand trotzdem noch zwei Paßbilder in der Brieftasche und dachte sich auch bei ihnen: Die siehst du nicht wieder.
    Aber das Wunder geschah: Eine Woche später fuhr ein rosarot lackierter Uralt-Cadillac auf ›Fairyland Inn‹ vor, und Hamacher hielt nicht nur einen Paß in den Händen, selbst Sozialversicherung und Militärpapiere lagen dabei.
    Er schlug den Paß auf.
    ›Ron Edwards‹

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