Das Rosie-Projekt
noch verstärkt haben könne.
Allerdings hatte Rosie das Ehefrauprojekt nie erwähnt. Zuerst waren wir vom Jackett-Zwischenfall abgelenkt gewesen, und danach hatte sich alles ganz ungeplant weiterentwickelt. Doch ich sah die Gefahr, irgendwann ihre Gefühle verletzen zu müssen, wenn ich ihr sagte, dass sie bereits nach dem ersten Treffen als mögliche Ehefrau eliminiert worden war.
»Das ist es also, was dir Sorgen macht?«, meinte Claudia. »Dass du ihre Gefühle verletzt?«
»Korrekt.«
»Aber das ist wunderbar, Don!«
»Inkorrekt. Das ist ein großes Problem.«
»Ich meine, dass du dir über ihre Gefühle Gedanken machst. Und du genießt eure gemeinsame Zeit?«
»Sehr sogar«, antwortete ich und erkannte es erst in diesem Moment.
»Und sie? Genießt sie es auch?«
»Vermutlich. Aber sie hat sich für das Ehefrauprojekt beworben.«
»Mach dir da mal keine Sorgen«, entgegnete Claudia. »Sie klingt ganz schön robust. Hab einfach nur Spaß.«
Am nächsten Tag passierte etwas Seltsames. Zum ersten Mal überhaupt bat mich Gene, in sein Büro zu kommen. Sonst war ich immer derjenige, der unsere Gespräche und Treffen initiierte, doch infolge des Vaterprojekts hatte es eine längere Pause gegeben.
Genes Büro ist größer als meines, was an seinem höheren Status liegt und nicht etwa an seinem Bedürfnis nach mehr Platz. Die Schöne Helena ließ mich ein, da Gene bei einem anderen Termin offenbar noch aufgehalten wurde. Ich nahm die Gelegenheit wahr, seine Weltkarte nach bunten Stecknadelköpfen in Indien und Belgien abzusuchen. Ich war ziemlich sicher, dass die indische Stecknadel schon vorhanden gewesen war, aber möglicherweise war Olivia gar keine Inderin. Sie hatte gesagt, sie sei Hindu, also konnte sie auch aus Bali oder Fidschi oder irgendeinem anderen Land mit hinduistischer Bevölkerung stammen. Gene ging von Nationalitäten aus und nicht von ethnischen Bevölkerungsgruppen, so wie Reisende die Länder zählen, die sie besucht haben. Wie vorauszusehen, war Nordkorea weiterhin ohne Markierung.
Gene kam und wies die Schöne Helena an, uns Kaffee zu holen. Wir setzten uns wie zu einer Konferenz an seinen Tisch.
»Also«, begann Gene, »du hast mit Claudia gesprochen.« Darin bestand einer der Nachteile, dass ich kein offizieller Klient von Claudia war: Ich stand nicht unter dem Schutz der Vertraulichkeit. »Dem habe ich entnommen, dass du Rosie getroffen hast. Wie vom Experten vorausgesagt.«
»Ja«, antwortete ich, »aber nicht in Bezug auf das Ehefrauprojekt.« Gene ist mein bester Freund, doch auch ihm gegenüber hatte ich Bedenken, Informationen über das Vaterprojekt preiszugeben. Zum Glück ging er nicht weiter darauf ein, weil er wohl dachte, ich hätte Rosie gegenüber sexuelle Intentionen. Tatsächlich war ich überrascht, dass er das Thema nicht augenblicklich ansprach.
»Was weißt du über Rosie?«, fragte er.
»Nicht sehr viel«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Wir haben uns kaum persönlich unterhalten. Unsere Gespräche bezogen sich auf externe Angelegenheiten.«
»Verschon mich«, sagte Gene. »Du weißt aber, was sie tut … wo sie ihre Zeit verbringt, oder?«
»Sie ist eine Barfrau.«
»Okay«, meinte Gene. »Und das ist alles, was du weißt?«
»Sie mag ihren Vater nicht besonders.«
Aus unerfindlichem Grund lachte Gene. »Da ist er bestimmt kein Robinson Crusoe.« Das erschien mir als eine absurde Aussage bezüglich Rosies Vaterschaft, bis mir einfiel, dass der Hinweis auf den fiktiven Schiffbrüchigen hier als Metapher für »nicht allein« oder in diesem Kontext für »nicht allein darin, dass er von Rosie nicht gemocht wird« stehen könnte. Gene musste meinen verstörten Gesichtsausdruck bemerkt haben, während ich darüber nachdachte, und führte aus: »Die Liste der Männer, die Rosie mag, ist nicht gerade lang.«
»Ist sie lesbisch?«
»Könnte sein«, meinte Gene. »Denk doch nur, wie sie sich anzieht!«
Genes Kommentar bezog sich wohl auf die Art von Kleidung, die sie getragen hatte, als sie das erste Mal in mein Büro gekommen war. Aber für ihre Arbeit in der Bar kleidete sie sich konventionell, und bei unseren DNA -Jagden hatte sie unauffällige Jeans und Oberteile getragen. Am Abend des Jackett-Zwischenfalls war sie unkonventionell, aber extrem attraktiv gekleidet gewesen.
Vielleicht hatte sie in der Umgebung, in der Gene sie kennengelernt hatte, keine Paarungssignale aussenden wollen – in einer Bar oder einem Restaurant. Frauenkleidung ist
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