Das Rosie-Projekt
waren als Frauen, was Rosies Diskriminierungsbehauptung widersprach. Einige davon waren eindeutig keine Weißen, jedoch nicht so viele, wie ich erwartet hatte. Vor dreißig Jahren war der Zustrom chinesischer Studenten noch nicht so groß gewesen wie heute. Die Anzahl der möglichen Kandidaten war zwar immer noch hoch, aber bei der anstehenden Jubiläumsfeier böte sich die Gelegenheit, eine große Charge von Proben auf einmal zu gewinnen.
Inzwischen hatte ich gefolgert, dass das
Marquess of Queensbury
eine Schwulenbar war. Bei meinem ersten Besuch hatte ich die sozialen Interaktionen nicht wahrgenommen, da ich zu sehr darauf konzentriert gewesen war, Rosie zu finden und das Vaterprojekt zu initiieren, doch diesmal konnte ich die Umgebung detaillierter analysieren. Es erinnerte mich an den Schachclub, dem ich zu Schulzeiten angehört hatte – Menschen, die über ein gemeinsames Interesse zueinanderfinden. Es war der einzige Club gewesen, dem ich je angehört hatte, abgesehen vom Universitätsclub, der jedoch eher in die Kategorie Restaurant fällt.
Ich hatte keine schwulen Freunde, aber das war auf meine allgemein geringe Zahl von Freundschaften zurückzuführen und nicht auf irgendwelche Vorurteile. Vielleicht war Rosie homosexuell? Sie arbeitete in einer Bar für Homosexuelle, in der allerdings alle Kunden männlich waren. Ich fragte den Barkeeper danach. Er lachte.
»Na, bei der wünsch ich viel Glück«, sagte er. Das beantwortete zwar nicht meine Frage, aber er war schon zum nächsten Gast weitergegangen.
Als ich am folgenden Tag mein Essen im Universitätsclub beendet hatte, kam Gene in Begleitung einer Frau herein, die ich von der Singles-Party kannte – Fabienne, die sexhungrige Wissenschaftlerin. Wie es aussah, hatte sie eine Lösung für ihr Problem gefunden. Wir trafen am Eingang aufeinander.
Gene zwinkerte mir zu und sagte: »Don, das ist Fabienne. Sie kommt aus Belgien, und wir werden uns über Möglichkeiten der Zusammenarbeit austauschen.« Er zwinkerte erneut und ging schnell weiter.
Belgien. Ich hatte angenommen, Fabienne stamme aus Frankreich. Belgien erklärte alles, denn Frankreich hatte Gene bereits.
Als Rosie um 21 : 00 Uhr die Türen des
Marquess of Queensbury
öffnete, stand ich schon draußen und wartete.
»Don.« Sie sah mich überrascht an. »Ist alles in Ordnung?«
»Ich habe ein paar Informationen.«
»Dann aber schnell.«
»Das geht nicht schnell, es gibt viele Details.«
»Tut mir leid, Don, mein Boss ist hier. Ich bekomme Ärger. Ich brauche diesen Job.«
»Wann haben Sie Schluss?«
»Um drei.«
Ich konnte es nicht fassen! Welcher Arbeit gingen Rosies Gäste nach? Vielleicht arbeiteten sie alle in Bars, die um 21 : 00 Uhr öffneten und hatten vier Abende pro Woche frei – eine unsichtbare nächtliche Subkultur, die Ressourcen nutzte, die anderweitig brachliegen würden! Ich atmete tief durch und traf eine schwere Entscheidung.
»Dann komme ich wieder.«
Ich fuhr nach Hause, ging ins Bett und stellte den Wecker auf 2 : 30 Uhr. Ich strich das Joggen, das ich morgens mit Gene eingeplant hatte, um eine Stunde wettzumachen. Ich würde auch Karate ausfallen lassen.
Um 2 : 50 Uhr radelte ich durch die inneren Vororte. Es war keine ganz unangenehme Erfahrung. Tatsächlich konnte ich große Vorteile darin erkennen, wenn auch ich nachts arbeiten würde. Leere Labore. Keine Studenten. Schnelleres Internet. Keine Kontakte mit der Dekanin. Könnte ich eine rein wissenschaftliche Arbeitsstelle finden, ohne Lehrauftrag, wäre das durchaus machbar. Vielleicht könnte ich auch per Videoschaltung an einer Universität in einer anderen Zeitzone Vorlesungen halten.
Um exakt 3 : 00 Uhr traf ich an Rosies Arbeitsstelle ein. Die Tür war zu, und ein »Geschlossen«-Schild hing davor. Ich klopfte laut. Rosie kam zur Tür.
»Ich bin k.o.«, sagte sie. Das war kaum überraschend. »Kommen Sie rein – ich bin fast fertig.«
Offensichtlich schloss die Bar um 2 : 30 Uhr, aber Rosie musste danach noch saubermachen.
»Wollen Sie ein Bier?«, fragte sie. Ein Bier! Um drei Uhr morgens! Absurd.
»Ja, bitte.«
Ich setzte mich an die Theke und sah ihr beim Saubermachen zu. Die Frage, die ich mir am vorigen Tag an genau diesem Platz gestellt hatte, fiel mir ein.
»Sind Sie lesbisch?«
»Sind Sie hergekommen, um mich das zu fragen?«
»Nein, die Frage ist unabhängig vom Grund meines Besuchs.«
»Gut zu wissen, um drei Uhr morgens allein in einer Bar mit einem
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