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Das Rosie-Projekt

Das Rosie-Projekt

Titel: Das Rosie-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graeme Simsion
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sein, sondern nur dekorativ.«
    Ringfrau legte ein Tuch auf den Tresen. »Was halten Sie von dem hier?«
    Es war bemerkenswert leicht und würde kaum Schutz gegen Wind und Kälte bieten. Aber es war mit Sicherheit dekorativ, wie gewünscht.
    »Exzellent. Wie viel?« Alles lief nach Plan.
    »Das macht eintausendzweihundert Dollar.«
    Ich öffnete mein Portemonnaie und zog meine Kreditkarte hervor.
    »Ho-ho-ho«, sagte Rosie. »Ich glaube, wir wollen noch ein paar andere Tücher sehen, bevor wir das hier überstürzen.«
    Ich drehte mich zu ihr. »Die vier Minuten sind fast um.«
    Ringfrau legte drei weitere Tücher auf den Tresen. Rosie betrachtete eines davon genauer. Ich machte es ihr nach und betrachtete ein anderes. Es sah hübsch aus. Sie sahen alle hübsch aus. Ich hatte keine Kriterien für eine Unterscheidung parat.
    So ging es weiter. Ringfrau warf immer mehr Tücher auf den Tresen, und Rosie und ich sahen sie an. Ameisenfrau kam unterstützend dazu. Schließlich fand ich ein Tuch, zu dem ich eine intelligente Bemerkung machen konnte.
    »Dieses Tuch ist fehlerhaft! Es ist nicht symmetrisch. Symmetrie ist der Schlüssel zu menschlicher Schönheit.«
    Rosie hatte eine brillante Antwort. »Vielleicht würde die mangelnde Symmetrie im Tuch Claudias eigene Symmetrie betonen.«
    Ameisenfrau holte ein rosa Tuch mit fluffigen Einsätzen. Selbst ich konnte sehen, dass es für Claudia nicht geeignet war, und warf es sofort auf den Ablehnungsstapel.
    »Was stimmt damit nicht?«, fragte Rosie.
    »Ich weiß nicht. Es passt nicht.«
    »Komm schon«, meinte sie, »das kannst du besser. Stell dir vor, wer es tragen könnte.«
    »Barbara Cartland?«, schlug Ringfrau vor.
    Mit diesem Namen konnte ich nichts anfangen, aber plötzlich fiel auch mir eine Antwort ein. »Die Dekanin! Auf dem Ball!«
    Rosie brach in Gelächter aus. »Korrrrekt.« Sie zog ein anders Tuch aus dem Stapel. »Was ist mit dem?« Es war beinahe durchsichtig.
    »Julie«, sagte ich automatisch und erzählte Rosie und den beiden Frauen von der Asperger-Beraterin und ihrem wenig verhüllenden Kleid. Sie würde sicher kein Tuch wollen, das dessen Wirkung verringerte.
    »Und das hier?«
    Das Tuch hatte mir wegen seiner bunten Farben sehr gefallen, aber Rosie hatte es als »zu laut« disqualifiziert.
    »Bianca.«
    »Genau.« Rosie hörte gar nicht wieder auf zu lachen. »Du weißt mehr über Kleidung, als du denkst.«
    Ameisenfrau holte ein Tuch mit lauter Abbildungen von Vögeln. Ich hob es hoch – die Vögel waren bemerkenswert genau dargestellt. Es war sehr hübsch.
    »Vögel der Welt«, sagte Ameisenfrau.
    »Oh, mein Gott, nein!«, rief Rosie. »Nicht für Claudia.«
    »Warum nicht? Es ist doch sehr interessant.«
    »Vögel der Welt … Denk doch mal nach! Gene!«
    Von überallher wurden Tücher geholt, aufeinandergeworfen, bewertet, beiseitegelegt. Alles passierte so schnell, dass ich an die Große Cocktailnacht erinnert wurde, mit dem Unterschied, dass diesmal wir die Kunden waren. Ich fragte mich, ob die Verkäuferinnen ihre Arbeit ebenso genossen wie ich damals meine.
    Am Ende überließ ich Rosie die Auswahl. Sie nahm das erste Tuch, das Ringfrau uns gezeigt hatte.
    Als wir das Geschäft verließen, sagte Rosie: »Ich glaube, ich habe gerade eine Stunde deines Lebens vergeudet.«
    »Nein, nein, das Ergebnis war nicht relevant«, erwiderte ich. »Es war höchst unterhaltsam.«
    »Tja«, meinte Rosie, »wenn du mal wieder Unterhaltung brauchst … Ich könnte ein Paar Manolo Blahniks gebrauchen.« Aus dem Wort »Paar« leitete ich ab, dass es sich um Schuhe handeln musste.
    »Haben wir noch Zeit?« Die Zeit, die Rosie für das Aufsuchen des Hotels veranschlagt hatte, war bereits aufgebraucht.
    »Das war ein Scherz, Don. Nur ein Scherz!«
    Das war auch gut so, denn wir mussten uns schon beeilen, um pünktlich bei den Eslers anzukommen. Trotzdem wollte Rosie sich noch umziehen. Am Bahnhof Union Square huschte Rosie in eine Toilette, und als sie wieder herauskam, sah sie erstaunlich anders aus.
    »Das ist unfassbar«, sagte ich. »So schnell!«
    Rosie musterte mich. »Willst du so bleiben?« Ihr Ton ließ auf Missbilligung schließen.
    »Das ist meine Kleidung. Ich habe noch ein Ersatzhemd.«
    »Zeig’s mir.«
    Ich griff in die Tasche, um das Hemd hervorzuziehen, das Rosie sicher nicht besser gefiele, und erinnerte mich an Claudias Geschenk, das ich stattdessen herausnahm.
    »Das ist ein Geschenk von Claudia«, sagte ich. »Und Jeans habe ich auch, falls

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