Das rote Flugzeug
in diese ausdruckslosen Augen, dann schloß er sachte die Lider wieder. Er nahm eine der wächsernen Hände und drückte mit einer Fingerspitze auf den Unterarm. Bony sah, daß das kleine Grübchen, das entstanden war, unverändert zurückblieb, nachdem Illawalli seinen Finger wieder weggezogen hatte. Sanft ließ der Alte die leblose Hand wieder auf die Bettdecke gleiten. Dann drehte er sich zu Bony um.
»Komm«, sagte er nur.
Dr. Knowles trat hastig zu ihnen. Seine Augen waren glasig, seine Lippen zitterten.
»Sie können nichts tun? Sie können nicht in sie hineinsehen und uns sagen, wer ihr die Droge gegeben hat?« fragte er verzweifelt.
»Nein. Der alte Illawalli kann den schlafenden Geist nicht lesen«, antwortete Illawalli mit Würde. »Warten Sie. Nach einer Weile kommt Bony wieder. Nach einer Weile wird die weiße Frau aufwachen. Sie wird aufstehen. Sprechen. Lachen. Komm, Bony.«
Gemeinsam gingen sie aus dem Zimmer, und als sie im Korridor waren, sagte der Alte scharf: »Licht, Bony. Ich brauch’ Licht.«
Bony fand Nettlefold im Arbeitszimmer und ließ sich von ihm eine starke Taschenlampe geben. Illawalli nahm sie an sich und eilte, von Bony gefolgt, aus dem Haus, vorbei am Arbeiterhaus, weiter den Bach entlang, der jetzt mit dem Flutwasser gefüllt war. Dort begann er, die Blätter gewisser Pflanzen zu pflücken, die nach den kürzlichen Regenfällen aus der Erde geschossen waren.
»Diesmal warst du ein ganz großer Dummkopf«, sagte er kichernd wie ein Gnom zu Bony. »Weißt du nicht mehr, wie die Schwarzen die Teiche vergiften, damit die Fische steif werden und an die Oberfläche des Wassers steigen, hm? Die weiße Frau ist genauso vergiftet worden. Und jetzt geb’ ich ihr ein Gift, das das andere Gift tötet. O ja, ich bin ein kluger Mann. Bald geht es der weißen Frau wieder gut. Sie stirbt nicht, Bony. Keine Angst. Bald macht sie die Augen auf und lächelt den alten Illawalli an, und bald lacht sie mit dem alten Illawalli und sagt ihm, daß er ein guter Medizinmann ist. Jedenfalls besser als der weiße Doktor.«
Bony holte tief Atem. »Das ist es also? Wie konnte ich nur so dumm sein! So blind! Wieso habe ich das nicht erkannt?«
»Nimm es dir nicht übel, Bony«, meinte Illawalli. »Das Gift von Schwarzen bei einer weißen Frau, daran konntest du nicht denken, das ist ja klar.«
»Nein, daran habe ich wirklich nicht gedacht. Ich habe überhaupt keine Verbindung zu den Eingeborenen gesehen. Ich war dumm und blind. Aber jetzt sehe ich klar. Mir ist etwas eingefallen, was ich viel stärker hätte beachten sollen. Man erzählte mir, daß John Kane längere Zeit bei den Eingeborenen auf der York–Halbinsel gelebt hat. Natürlich! Als er hörte, daß wir nach dir geschickt hatten, wußte er sofort, zu welchem Zweck.«
»Nimm es dir nicht übel«, beschwor Illawalli ihn wieder. »Kein Mensch kann alles wissen. Du hast zu große Sorge gehabt, daß die weiße Frau stirbt, darum hast du nicht richtig denken können. Jetzt gehen wir zurück. Ich habe alles, was ich brauche. Wir machen ein Feuer und kochen die Medizin.«
»Gut, dann komm.«
Im Haus rief Bony nach Hetty, die sie in die Küche im Nebengebäude führte. Eine Stunde später traten sie leise ins Krankenzimmer. Elizabeth und die beiden Ärzte waren noch dort. Bony reichte Dr. Knowles eine Porzellanschale und einen Löffel.
»Geben Sie ihr davon so viel, wie sie schlucken kann«, sagte er.
Stanisforth trat näher und warf einen mißbilligenden Blick auf die dunkelgrüne Flüssigkeit in der Schale.
»Was ist das für ein Zeug?« fragte er. »Wir müssen wissen, was es ist, bevor wir erlauben können, daß es der Patientin eingegeben wird. Wir sind für sie verantwortlich.«
»Ich kenne die Zutaten nicht«, bekannte Bony. »Und ich glaube nicht, daß Illawalli sie uns nennen wird. Sie brauchen jedoch nicht zu fürchten, daß die Mixtur ihr schaden wird.«
»Aber – aber …«
»Was ist es?« fragte Knowles den Alten.
»Medizin, damit die weiße Frau gesund wird«, antwortete Illawalli ausweichend.
Knowles sah Stanisforth zweifelnd an.
»Unmöglich!« stieß Stanisforth hervor. »Ein solches Eingeborenengebräu! Das geht nicht. Das ist unerhört. Das ist mit unserem beruflichen Gewissen unvereinbar.«
»Vor nicht allzu langer Zeit empörten sich die Mitglieder Ihres Berufs auch über die Hypnose und die Psychoanalyse, Doktor«, sagte Bony ruhig. »Ich weiß, was für eine Droge der Patientin verabreicht wurde, und dies ist das
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