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Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Titel: Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel-Erasmus Khan
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Bürgergesellschaft angekommen: «[D]ie Völker bleiben nicht kalt und gleichgültig, sobald die Söhne des Landes sich schlagen; das Blut, das bei den Gefechten vergossen wird, es ist ja dasselbe, welches in den Adern der ganzen Nation fließt.» Dieser fast drohende Appell Dunants konnte die Machthaber in der Tat nicht länger kaltlassen. Und so hatte die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht das Machtpotential der Staaten wohl nur vordergründig vergrößert: In letzter Konsequenz nämlich führte die Ausweitung des für die Kriegführung zur Verfügung stehenden «Menschenmaterials» unweigerlich zum Verlust der uneingeschränkten militärischen Prärogative, das heißt der absoluten Verfügungsmacht der Machteliten über die Art und Weise der Kriegführung.
    Die bereits erwähnte Florence Nightingale, die Amerikanerin Clara Burton, der russische Chirurg Nicolai Pirogov und sein philanthropischer Landsmann Anatole Demidoff, der wieder begründete Johanniterorden sowie schließlich der deutsch-amerikanische Jurist Francis Lieber mögen stellvertretend für eine ganze Anzahl von privaten, zunehmend aber auch in der einen oder anderen Weise staatlich geförderten Initiativen stehen, welche das Schicksal der Kriegsopfer nicht nur thematisierten, sondern durch tatkräftige Unterstützung praktischer oder auch nur intellektueller Art zu lindern suchten. Nur beispielhaft sei hier auch an den italienischen Arzt Ferdinando Palasciano erinnert,der sich bereits während der Revolutionswirren des Jahres 1848 für eine diskriminierungsfreie Hilfeleistung ausgesprochen und diese unter akuter Lebensgefahr selbst praktiziert hatte – Hilfe auch für den wehrlosen Feind konnte damals als Hochverrat geahndet werden: Im Jahre 1861 hatte Palasciano sodann vor der Accademia Pontaniana in Neapel ganz explizit für eine Neutralisierung der Verwundeten in Kriegszeiten plädiert, ähnlich wie praktisch zur gleichen Zeit der französische Apotheker Henri Arrault.
    «Inter arma caritas», so lautet bis heute das Motto des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Die Idee der Menschlichkeit (auch) im Krieg hat die in den skizzierten zeitlichen und intellektuellen Kontext hineingeborene internationale Rotkreuzbewegung zwar sicher nicht «erfunden». Durch ihr im besten Sinne propagandistisches, organisatorisches und die Schaffung verbindlicher Normen anregendes Wirken sollte es den frühen Protagonisten der Bewegung aber vorbehalten bleiben, dieses Ideal fest und (hoffentlich) unauslöschlich im Bewusstsein der gesamten Menschheit und der sie repräsentierenden Staatengesellschaft zu verankern.

III. Henry Dunant: «Eine Erinnerung an Solferino» (1862)
    General Guillaume-Henri Dufour hatte in seinem bereits 75 Jahre währenden Leben schon viel erlebt. Herausragender Militärstratege, Kartograph und Politiker, war er zweifellos eine der angesehensten Persönlichkeiten der Schweiz. Noch zu seinen Lebzeiten benannte seine Heimat den höchsten Punkt ihres Staatsgebietes nach ihm: die Dufourspitze im Monte-Rosa-Massiv. Irgendwann im Spätsommer des Jahres 1862 fand sich auf dem Schreibtisch dieses Mannes in Genf das Manuskript eines 120 Seiten schmalen Büchleins mit dem eher unspektakulären Titel «Un souvenir de Solferino» (Eine Erinnerung an Solferino).Autor der Schrift war Henry Dunant, dem General aus der gemeinsamen Mitgliedschaft in einer der vielen Vereinigungen der Genfer Gelehrten und Notabeln, der 1858 gegründeten «Société de Géographie de Genève» (Genfer Geographische Gesellschaft), wohlbekannt. Erzogen in streng protestantischem Geiste, der auch persönliches soziales Engagement einforderte, war der 32-jährige Dunant in seiner Heimatstadt seit einigen Jahren auch als Geschäftsmann kein Unbekannter mehr. Ein noch junger Mann also, dem offensichtlich eine typische Genfer Karriere bevorstand: wirtschaftlicher Erfolg, eingebettet in ein gelehrtes und philanthropisches Engagement mit kosmopolitischer Perspektive unter seinesgleichen, also innerhalb des relativ geschlossenen Zirkels des Genfer Bürgertums. Nichts deutete zum damaligen Zeitpunkt darauf hin, dass die bürgerliche Existenz dieses Henry Dunant nur fünf Jahre später völlig zusammenbrechen sollte: höchstrichterliche Bestätigung der Alleinschuld an einer spektakulären Insolvenz mit anschließender Ächtung durch die Genfer Gesellschaft, die auch in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts noch immer von einem moralstrengen calvinistischen Geist geprägt

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