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Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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meiner Schwester, seit ich denken kann. Wir trugen immer die neueste Mode, weil Lina ein Kleid nur anzusehen braucht, und schon kann sie es nachschneidern. Sie braucht nicht einmal Maß zu nehmen.»
    «Das ist wirklich eine bewundernswerte Gabe, liebes Fräulein Kaufmeister.»
    Jutta Wienhold war freundlich, geistreich, eine gute Gesellschaft. Überhaupt fühlte sich Lina bei Cornelius von Sannberg wohl. Von Zeit zu Zeit riss der Gastgeber, der schräg von ihr vor Kopf des Tisches saß, das Gespräch an sich und gab eine Geschichte zum Besten. Er hatte viel erlebt, dieser ungewöhnliche Mann. Als die Rede auf Italien kam, wohin er häufig gereist war, konnte auch Lina etwas zum Gespräch beisteuern.
    «Wann waren Sie in Italien, Fräulein Lina?»
    Es überraschte Lina nicht, dass er sie einfach bei ihrem Vornamen nannte.
    «Als Kind. Zur Genesung nach meiner Krankheit.»
    Von Sannberg erzählte von Pompeji und den schlüpfrigen Wandmalereien dort. Einige Damen wurden rot, aber Lina lachte. «Ich habe sie gesehen. Man hatte mich hinuntergetragen in einen dieser ausgegrabenen Räume. Dort befanden sich die am besten erhaltenen Malereien, alle waren begeistert, und niemand dachte daran, dass es sich vielleicht für ein Kind nicht gehört, sie zu betrachten. Danach musste meine Mutter mir viele Fragen beantworten.»
    Lina senkte den Kopf, und als sie aufsah, bemerkte sie, dass Robert Borghoff, der ihr gegenübersaß, sie direkt anblickte. Sie wusste seinen Blick nicht zu deuten. War sie zu weit gegangen mit dieser Erzählung, oder hatte es ihn amüsiert? Cornelius von Sannberg jedenfalls lachte laut auf und sah in die Runde.
    «Es ist noch Zeit bis Mitternacht, meine lieben Gäste, und da dieser Salon viel zu klein fürs Tanzen ist, habe ich eine andere Überraschung für Sie.»
    Die Diener kamen, räumten in Windeseile die Tafel ab und trugen auch den Tisch hinaus. Die Stühle stellten sie in Reihen auf, und kurze Zeit später baute einer einen hohen Tisch mit einem Gestell auf, hinter dem eine Öllampe mit einem Spiegel brannte. Eine Laterna magica – welch ein Spaß!
    «Kann jemand von Ihnen Klavierspielen?», fragte von Sannberg.
    Mina meldete sich und setzte sich an das Instrument. Die Laterna magica war schon etwas älter, sie stammte offensichtlich aus Zeiten, in denen man eher schaurige Bilder vorführte statt wie heutzutage Märchen zu erzählen. Mina stellte sich rasch darauf ein und improvisierte. Sie verstand es, die richtige Musik zu der Geistergeschichte zu spielen, die Cornelius von Sannberg mit gewollt übertriebenem Pathos vortrug und damit ins Komische zog.
    Lina, die durch Zufall neben Pater Johannes einen Platz gefunden hatte, flüsterte ihm zu: «Ist Ihnen dieses abergläubische Geisterunwesen nicht zuwider?»
    Zu ihrem Erstaunen lachte er. «Nein, Fräulein Kaufmeister. Diese Geister sind ja nur Trugbilder aus Glas und Licht.»
    «So wie schließlich alle Geister», sagte Lina.
    «Ja.» Sein Blick wurde wieder düster. «Die meisten zumindest.»
    Lina runzelte die Stirn. «Dann glauben Sie nicht, dass Geister entweder Erfindung sind oder aus Wahnsinn entspringen?»
    Er schien betroffen. «Es ist sicher richtig, wenn man es so betrachtet.»
    Bild um Bild schob Cornelius von Sannberg in den Apparat, und bald war es kurz vor Mitternacht.
    Die Diener brachten die Laterna magica fort und Champagner herein. Als die Glocken zu läuten begannen, nötigte von Sannberg seine Gäste, auf die Straße hinauszugehen. «Ich habe nicht um polizeiliche Erlaubnis gebeten, werter Herr Commissar. Ich hoffe, dass Sie mir das nachsehen.» Und damit gab er das Zeichen für ein herrliches kleines Feuerwerk. Auch aus der Altstadt hörte man Böllerschüsse.
    «Ich hoffe, Sie haben mich nicht nur deshalb eingeladen, weil Sie ungenehmigt ein Feuerwerk veranstalten wollten», scherzte Borghoff. Er hatte schon angekündigt, dass er sich bald verabschieden würde, denn diese Nacht war eine der unruhigsten in der Altstadt, in der viele Betrunkene Schlägereien anfingen oder Schlimmeres. Die kleine Polizeitruppe ließ sich bei dieser Gelegenheit immer von der auch nicht viel größeren Bürgerwehr unterstützen.
    Die anderen Damen in ihren weitausgeschnittenen dünnen Festkleidern waren wieder hineingelaufen und standen in Schals gehüllt an den Fenstern, doch Lina zitterte in der kalten Abendluft und konnte ihre Augen nicht von den Sternen lassen, die die Diener in die Luft jagten. Plötzlich legte ihr jemand eine Jacke um die

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